zum Hauptinhalt
Foto: Maurizio Gambarini/dpa

© dpa

Politik: Eine Frage der Offenheit

Unions-Fraktionsgeschäftsführer Altmaier fordert den Bundespräsidenten auf, alle 400 Antworten an Journalisten wie versprochen zu veröffentlichen.

Von Robert Birnbaum

Berlin - In der Union geht die Geduld mit Christian Wulff zur Neige. Schon bisher hatte sich die CDU-Spitze auf Schweigen und doppeldeutige Solidaritätsbekundungen mit dem Bundespräsidenten beschränkt. Doch nun geht ein wichtiger CDU-Politiker den früheren Parteifreund direkt an: Wulff, fordert der Fraktionsgeschäftsführer der CDU/CSU, Peter Altmaier, solle dafür sorgen, dass alle Fragen an seine Anwälte und deren Antworten im Internet öffentlich gemacht würden. „Ich hielte es für unglücklich, wenn der Eindruck entstünde, dass die Anwälte des Bundespräsidenten jetzt hinter dem zurückbleiben, was er selbst im Fernsehinterview gesagt hat“, rügte Altmaier im „Hamburger Abendblatt“. Und spät in der Nacht zum Mittwoch schob der eifrige Twitterer über den Handy-Kurznachrichtendienst nach: „Wünsche mir, dass Christian seine Anwälte an die Leine legt und die Fragen/Antworten ins Netz stellt.“

Wulffs Anwalt Gernot Lehr weigerte sich am Mittwoch indes erneut, den Forderungen nachzukommen. Der im Auftrag des Präsidenten geführte Schriftverkehr mit Journalisten und die Gespräche zwischen Anwälten und Dritten „fallen unter die anwaltliche Verschwiegenheitspflicht“, sagte er. „Eine Veröffentlichung der an uns gestellten Journalistenfragen würde das Recht der jeweils anfragenden Journalisten am eigenen Wort und am Schutz ihrer Rechercheergebnisse oder -ziele verletzen“, argumentierte Lehr.

Tatsächlich hatte Wulff in seinem Fernsehinterview nicht nur selbst angekündigt, dass seine Anwälte anderntags alle 400 bis dahin gestellten Fragen und Antworten ins Netz stellen würden – er hatte das auch als neuen Maßstab an Transparenz gerühmt. Die beispielgebende Transparenz bestand dann aus sechs Seiten, die Gernot Lehr als Zusammenfassung aller relevanten Antworten bezeichnete.

Das erstaunt auch die SPD. „Ich würde mich wundern, wenn der Bundespräsident seinen Anwalt nicht entbunden hätte von der Pflicht zur Verschwiegenheit“, sagt Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier dem ZDF-„Morgenmagazin“. Doch Steinmeier steht als Oppositionsführer naturgemäß nicht im Verdacht größeren Wohlwollens. Altmaier hingegen war vor Weihnachten noch als Verteidiger Wulffs aufgetreten. Das war umso bemerkenswerter, als der gemütliche Saarländer zu den wenigen wirklichen Vertrauten Angela Merkels gehört und seit geraumer Zeit als informeller Kanzlerinnen-Sprecher agiert – sei es an Wahlabenden, sei es in der Euro- und in anderen Krisen.

Merkel selbst, bei einer Pressekonferenz mit dem italienischen Regierungschef Mario Monti angesprochen, hat in diplomatisch verklausulierten Worten eine ähnliche Erwartung geäußert: Wulff habe auf viele Fragen eine Antwort gegeben, „sollte es neue Fragen geben, bin ich davon überzeugt, dass er sie genauso beantworten wird“, sagte die Kanzlerin: „… und deshalb hat meine Wertschätzung Bestand.“ Auf Hochdeutsch heißt das: Für einen Präsidenten, der mauert, wäre es mit der Wertschätzung vorbei.

Für Transparency International (TI) ist der Punkt schon erreicht. Die Chefin der deutschen Sektion, Edda Müller, sagte ihre Teilnahme am Neujahrsempfang des Bundespräsidenten ab. „Wir können nicht einfach zur Tagesordnung übergehen“, begründete Müller die Weigerung, am Donnerstag im Schloss Bellevue zu erscheinen. Es bleibe die Frage, ob Wulff nicht mit Urlauben bei Unternehmern als niedersächsischer Ministerpräsident gegen das Ministergesetz verstoßen habe. Müller verlangt, dass der Staatsgerichtshof das klärt.

Darauf könnte es in Hannover hinauslaufen. Einstweilen belässt es die Opposition dort bei Hunderten Fragen, die die Landesregierung erst nächste Woche beantworten will. Man sei einfach noch nicht so weit, dass man erschöpfend Auskunft geben könne, beschieden Wulffs Nachfolger.

Anwalt Lehr immerhin gibt auf konkrete Fragen weiterhin konkrete Auskünfte. Dabei erfuhr der „Stern“, dass der Versicherungsunternehmer Wolf-Dieter Baumgartl nur „teilweise anwesend“ war, als das frisch getraute Ehepaar Wulff kostenlos in seiner toskanischen Villa eine Flitterwoche verbrachte. Was genau „teilweise“ heißt, bleibt vorerst offen. Das wäre im Grunde ja auch völlig egal, hätte nicht Wulff im Fernsehen den Urlaub als fünf, sechs oder sieben Tage bei Freunden mit gemeinsamem Kochen und Frühstück geschildert. Das erweckte den Eindruck, dass die Wulffs zu Besuch bei Freunden waren und nicht einfach nur in einem großzügig gewährten Luxusurlaub.

Für einen anderen wichtigen CDU-Politiker fällt diese Frage möglicherweise schon ein bisschen in die Abteilung „Sensationslust“. Aber auch Bundestagspräsident Norbert Lammert macht der Fall Wulff erkennbar Sorgen: „Die wochenlange Auseinandersetzung hat sicher nicht nur den Amtsinhaber persönlich strapaziert, sondern auch das Amt“, klagt Lammert im „Stern“. Er selbst übrigens habe dieses Amt weder 2009 gewollt, noch wolle er es jetzt: „Ich (...) bin froh, dass sich die Frage gar nicht stellt.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false