zum Hauptinhalt

Politik: Eine Frage der Souveränität

Das UN-Tribunal zum Mord am ehemaligen Regierungschef Hariri ist im Libanon umstritten

Der UN-Sicherheitsrat hat mit seiner Entscheidung, ein Sondertribunal zur Untersuchung des Mordes am ehemaligen libanesischen Ministerpräsidenten Rafik Hariri einzusetzen, in die politische Krise im Libanon eingegriffen – ohne sie jedoch zu lösen. Das Tribunal ist der zentrale Streitpunkt zwischen der vom Westen unterstützten Regierung Fuad Sinioras und der schiitischen Hisbollah und ihrer Verbündeten.

Die Auseinandersetzungen um das Tribunal und Details seiner gesetzlichen Grundlage hatten vor sieben Monaten die politische Lähmung des Libanon ausgelöst. Aus Protest verließen damals sechs Minister die Regierung. Die prosyrische Hisbollah, die schiitische Amal-Miliz und ihr Verbündeter, der Christenführer Michel Aoun, betrachten seither die Regierung nicht mehr als „legitim“. Das Rumpfkabinett verabschiedete dennoch ein offizielles Gesuch an die Vereinten Nationen, das Tribunal einzusetzen. Seither verweigert der mit der Hisbollah verbündete Parlamentspräsident Nabih Berri die Einberufung des Parlaments, das folglich auch das Gesuch an die UN nicht absegnen konnte. Nun hat der Sicherheitsrat in diese Pattsituation eingegriffen. Er ist der Forderung der Regierung Siniora nachgekommen, ohne dass sich der Libanon auf ein für alle Gruppen akzeptables Procedere geeinigt hat.

Die Kritik der Hisbollah und ihrer Verbündeten galt der Zusammensetzung des Tribunals: Es wird von ausländischen Richtern dominiert und soll im Ausland stattfinden, womit die Souveränität des Libanon bedroht sei. Auch der Passus im Statut des Tribunals, der Vorgesetzte sehr allgemein verantwortlich macht für Taten ihrer Untergebenen, erregte Anstoß. Selbst die International Crisis Group, eine führende Nichtregierungsorganisation zur Konfliktvermeidung, forderte eine genauere Definition dieser Bestimmung.

Wer die Ablehnung des UN-Tribunals im Libanon verstehen will, muss zudem in Betracht ziehen, dass sich im Zedernstaat zwei Lager – Sunniten und Schiiten mit einem Teil der Christen – unversöhnlich gegenüberstehen. Beide Lager werden von ausländischen Staaten unterstützt: von den USA und dem Westen auf der einen Seite sowie dem Iran und Syrien auf der anderen. So erklärt sich die Furcht der Hisbollah, das Tribunal könnte politisch instrumentalisiert werden – gegen seinen Verbündeten Syrien.

Die Einschätzungen, welche Folgen die Einsetzung des umstrittenen Tribunals haben wird, gehen weit auseinander. Der Sportminister und enge Vertraute Sinioras, Ahmed Fatfat, sagte dem Tagesspiegel, die Einsetzung des internationalen Gerichts ebne den Weg für eine Regierung der nationalen Einheit. „Dann ist das Tribunal nicht mehr unser Problem, und wir haben die Voraussetzung für neue Gespräche über eine Regierungsbildung.“ Man habe eine Sperrminorität der Opposition in der Regierung verweigert, um das Tribunal nicht zu gefährden, erläutet Fatfat.

Der Hisbollah-Abgeordnete Hajj Hassan sieht das anders. „Eine politische Einigung wird sicher schwieriger, wenn das Gericht von den UN gegen unseren Willen eingesetzt wird“, sagte der gelernte Biophysiker in Beirut vor der Entscheidung. Seine Furcht, das Tribunal könnte zu einem Instrument der US-Regierung werden, begründet er mit den Erfahrungen der bisherigen Untersuchungen im Mordfall Hariri. Der ehemalige deutsche UN-Sonderermittler Detlef Mehlis habe mehrere Verdächtige namentlich genannt, diese Aussagen später allerdings zurückgezogen. Die Vorwürfe gegenüber Syrien seien später von Mehlis’ Nachfolger Brammertz so nicht wiederholt worden. „Die Untersuchung wurde manipuliert, warum sollte es dann nicht auch das Tribunal selbst sein?“, fragt sich Hassan.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false