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Politik: Eine Frage von Wochen

Die USA könnten den Kriegsgegnern entgegenkommen und das Ultimatum verlängern – mehr aber nicht

IRAK – ZWISCHEN KRIEG UND FRIEDEN

Die Ungeduld steigt. Immer mehr Amerikaner beschleicht das Gefühl, dass Frankreich, Russland und Deutschland mit ihrer rigorosen Non-Njet-Nein-Strategie nur ein einziges Motiv verfolgen: Sie wollen die USA in die Enge treiben, diplomatisch vorführen, austricksen. Das Gezerre um die Stimmen im UN-Sicherheitsrat wird daher als entwürdigend, ja blamabel wahrgenommen. Verärgert fragen bereits einige Kommentatoren: Soll es wirklich von einem Land wie Guinea abhängen, ob der Präsident der letzten verbliebenen Supermacht unsere Soldaten in einen Krieg schickt, in dem es um unsere nationale Sicherheit geht? Am besten kommt der allgemeine Trotz in einem Autoaufkleber zum Ausdruck. „Iraq now, France next“ ist darauf zu lesen.

Der Eindruck, durch die Einschaltung des Sicherheitsrates in eine Falle gelockt worden zu sein, wird durch die neuesten Umfragen bestätigt. Sie wurden durchgeführt von der „New York Times“ und „CBS News“, zwei liberalen Medien, die nicht im Verdacht stehen, die Regierung von George W. Bush unterstützen zu wollen. Demnach beträgt die Zustimmung zu einem Krieg inzwischen 66 Prozent. Eine klare Mehrheit der Amerikaner, nämlich 55 Prozent, ist selbst dann für den Krieg, wenn der Sicherheitsrat dagegen stimmen sollte. Um zehn Punkte auf 58 Prozent ist in den letzten zwei Wochen die Zahl derer gestiegen, die von der Art, wie die Vereinten Nationen die Irak-Krise handhaben, enttäuscht sind. Immer weniger Amerikaner wollen den UN-Inspekteuren Zeit geben, immer mehr fordern eine möglichst rasche Invasion.

Bush muss solche Stimmungen berücksichtigen. Will er zu Hause nicht als schwach wirken, darf er sich nicht täglich vorführen lassen. Die Gefahr besteht. Aus seiner Perspektive war es bislang schon stets er, der nachgegeben hat. Gegen den Widerstand von Vizepräsident Dick Cheney und Verteidigungsminister Donald Rumsfeld ist er dem europäischen Drängen nach Einschaltung der UN gefolgt. Sieben Wochen lang hat er Außenminister Colin Powell um den Text der UN-Resolution 1441 feilschen lassen. Das Ergebnis war ein echter Kompromiss. Darin wird unmissverständlich die sofortige und bedingungslose Abrüstung des Irak gefordert, andernfalls drohen „ernste Konsequenzen". Bis heute hat der Irak diese Forderungen nicht erfüllt. UN-Chefinspekteur Hans Blix bezeichnet es nach wie vor als sein größtes Problem, dass der Verbleib von tausenden Tonnen von biochemischen Kampfstoffen ungeklärt ist. In der Substanz verweigert Bagdad die Kooperation. Kein Mitglied des UN-Sicherheitsrates bestreitet das. Dennoch, darüber beschweren sich missmutig die amerikanischen Strategen, werde bei den UN mehr Energie darauf verwendet, gegen die USA zu wettern als den Druck auf den Irak aufrecht zu erhalten.

Wenn Bush sein Prestige retten will, kann er diesem Treiben kaum länger zusehen – das hat sein Sprecher Ari Fleischer deutlich betont. „Wenn die Vereinten Nationen nicht handeln, wird ein anderes internationales Gremium Saddam Hussein entwaffnen“, sagte er. Damit hat die US-Regierung, zumindest implizit, die moralische Autorität des UN-Sicherheitsrates mit derjenigen der „Koalition der Willigen“ gleichgesetzt.

Frankreich hat seine Veto-Drohung mit dem Nebensatz verbunden „unter welchen Umständen auch immer“. Das deutet auf ein prinzipielles Nein hin, unabhängig von der Frage, ob der Irak die UN-Resolutionen erfüllt. Deshalb werden die diplomatischen Brücken, die Großbritannien derzeit schlägt, wahrscheinlich die letzten sein. In zwei Punkten können London und Washington ihren Widersachern und der Gruppe der Unentschlossenen noch entgegenkommen: Das Ultimatum wird über den 17. März hinaus verlängert, klare Abrüstungskriterien werden benannt. Falls die Non-Njet-Nein-Fraktion dann immer noch stur bleibt, hat weiteres Warten aus US-Sicht keinen Sinn mehr. Wenn die Alternative heißt, entweder wie ein begossener Pudel zum Rückzug blasen und Saddam triumphieren zu lassen, oder einen Krieg gegen das Votum des UN-Sicherheitsrates zu führen, ist für Bush die Sache klar.

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