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Politik: Eine Geschichte der verpassten Chancen

Die britische Europapolitik bleibt vorsichtig und risikoscheu. In einer groß angekündigten europapolitischen Grundsatzrede beließ es der britische Premier Tony Blair am Freitag in Birmingham einmal mehr dabei, pro-europäische Stimmung zu verbreiten.

Die britische Europapolitik bleibt vorsichtig und risikoscheu. In einer groß angekündigten europapolitischen Grundsatzrede beließ es der britische Premier Tony Blair am Freitag in Birmingham einmal mehr dabei, pro-europäische Stimmung zu verbreiten. Klare Signale in Sachen Euro-Geld zu geben, versagte er sich aber. Das war auch die Lesart der Devisenmärkte. Sie hatten das Pfund gegenüber dem Euro in Erwartung einer deutlich positiven Rede niedriger bewertet. Nach der Rede Blairs in Birmingham kehrte das Pfund zum alten Niveau zurück.

Blair referierte die britische Europapolitik der letzten 50 Jahre als Geschichte "verpasster Chancen". Nach seiner "peinlich langen Geschichte des Euroskeptizismus" müsse Großbritannien dieses "Versagen der Vorstellungskraft" umkehren und endlich lernen, dass seine wirtschaftliche und politische Zukunft in Europa liege. "Ohne sich die Zukunft vorzustellen und sich darauf vorzubereiten, werden politische Führer von heute schnell zu Männern von gestern", sagte Blair.

Seine eigenen Zukunftsvorstellungen blieben aber vage. Wer in den britischen Amtsstuben nach Positionen zur europäischen Zukunftsdebatte nachfragte, wurde seit Monaten auf diese Rede verwiesen. Labours unentschlossene Position zum Referendum über den Beitritt des Vereinigten Königreichs zur europäischen Währung wurde durch die Rede allerdings keinen Millimeter bewegt. Vielmehr sagte der Premierminister: "Die Schlussfolgerung aus diesen Argumenten ist nicht, dass wir dem Euro ungeachtet der wirtschaftlichen Bedingungen beitreten".

Blair und sein Schatzkanzler Gordon Brown, deren gespannte Beziehung in den letzten Tagen wieder für Schlagzeilen in Großbritannien sorgte, betreiben die Euro-Währungspolitik als Doppelakt. Der Premier versucht sich von der euroskeptischen Stimmung im Land freizuschwimmen. Was den Zeitplan für ein Referendum und Großbritanniens möglichen Beitritt zum Euro angeht, verschanzt er sich aber weiter hinter der ökonomischen Entscheidungskompetenz seines als vorsichtig bekannten Schatzkanzlers.

Eine Lesart ist, dass die Kette von Blairs begeisterten, aber inhaltsarmen Europareden die Stimmung für ein Referendum vorbereiten sollen - vielleicht schon in 18 Monaten, wenn die Briten in ihrem Urlaub erste positive Erfahrungen mit dem Eurogeld gemacht haben.

Doch das normalerweise bestens informierte britische Boulevardblatt "The Sun" kündigte in ihrer Freitagausgabe unter Berufung auf Regierungskreise an, der Regierungschef wolle das Referendum erst 2005 zeitgleich mit einer vorgezogenen Unterhauswahl durchführen. "Ein zynischer Versuch, die größte Entscheidung der jüngeren Geschichte zu begraben", schrieb das Blatt und kündigte an, einen Euro-Beitritt unerbittlich zu bekämpfen.

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