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Politik: Eine gesunde Diät

Von Gerd Appenzeller

Franz Müntefering, der Bundesminister für Arbeit und Soziales, hat im Bundestag zu weiteren Anstrengungen bei der privaten Altersvorsorge aufgerufen. Er meinte aber nicht etwa die Abgeordneten, sondern uns Bürger draußen, außerhalb des Hohen Hauses. Dabei wäre sein Appell bei den Parlamentariern durchaus an der richtigen Adresse gewesen. Die müssen sich diesmal, anders als in früheren Legislaturperioden, nicht nur mit ihren eigenen Gehältern, sondern endlich auch mit ihrer Altersversorgung befassen.

Über Geld reden sie nicht gerne, denn sie befinden sich dabei in einer schwierigen Lage. Ein Urteil des Bundesverfassungsgerichtes verbietet ihnen, sich bei der Festsetzung der Bezüge irgendwelcher Automatismen, wie zum Beispiel der allgemeinen Teuerungsrate, zu bedienen. Nein, sie müssen jedesmal in öffentlicher Abstimmung festlegen, ob, und falls ja, wie viel mehr es künftig sein soll. Wie die Mehrzahl der Bürger fühlen sich vermutlich auch die meisten Abgeordneten chronisch unterbezahlt. Ihr Pech ist, dass Teile der Öffentlichkeit und der Medien das anders sehen. Vor allem an Stammtischen und im Boulevardjournalismus sind Tiraden gegen die „Raffkes“ in den Parlamenten sehr beliebt.

Aber verdienen Bundestagsabgeordnete wirklich zu viel? Ja und nein. Ja, wenn sie nur das Notwendigste tun, selten präsent und eher parlamentarische Mitläufer sind. Dann erscheinen monatlich 7009 Euro Diäten plus die steuerfreie Kostenpauschale von 3764 Euro als deutlich zu viel. Nein, wenn sie ihre Aufgabe ernst nehmen. Und das tun die meisten. Weil aber der öffentliche Druck gerade in konjunkturell schwierigen Zeiten sehr groß ist, haben die Abgeordneten seit 2003 ihre Bezüge eingefroren.

Parlamentspräsident Norbert Lammert beklagt nun, die Abgeordneten seien deshalb leider arg in Rückstand geraten zu jenen Berufsgruppen, an denen sie sich orientieren – den Oberbürgermeistern mittlerer Städte und den Bundesrichtern. Lammert möchte künftig die vom Statistischen Bundesamt festgestellte, allgemeine Steigerung der Gehälter als Bezugsgröße nehmen und die Diäten, wohl jeweils durch Parlamentsbeschluss, entsprechend erhöhen.

Nun lässt es sich auf diesem schönen Gehaltsniveau auch ohne Anhebung der Bezüge gut leiden. Die meisten Normalverdiener, daran muss erinnert werden, haben in den letzten Jahren auch nicht mehr Geld bekommen. Aber gönnen wir guten Abgeordneten ein gutes Gehalt. Wirklich skandalös ist etwas anderes – die Altersversorgung der Abgeordneten. Schon nach zwei Legislaturperioden haben sie einen Pensionsanspruch in einer Höhe erworben, der in der Rentenversicherung frühestens nach 40 Beitragsjahren zu erreichen ist. Alleine wegen der Rentenregelung lohnte es sich also schon, Politiker zu werden.

Das Argument, Abgeordnete würden durch ihr Mandat aus dem Beruf gerissen und müssten deshalb abgesichert sein, ist fadenscheinig. Berufliche Achterbahnen erleben heute viele Bürger im Laufe ihres Erwerbslebens. In der Zeit im Parlament kann man aber Kontakte knüpfen, die unbezahlbar sind. Hier gibt es nur einen Ausweg: eine Erhöhung der Diäten, um aus ihnen eine eigene Altersversorgung aufzubauen. Das Präsidium des Bundestages kann sich von Versicherungsmathematikern und anderen Fachleuten beraten lassen, was da sinnvoll ist. Dieses mehr an Diäten wäre politisch gesund. Die jetzige Altersversorgung aber ist ein Übel, das schnell geheilt werden muss.

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