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Politik: Eine Lösung für ein paar Tage

RETTUNG FÜR MOBILCOM

Von Ursula Weidenfeld

Das war das moderne, optimistische und dynamische Deutschland, das war die Sonnenseite der Berliner Republik: Wie keine andere Bundesregierung zuvor hat Rot-Grün sein modernes Profil im Aufstieg und in den Übertreibungen der Telekommunikationsindustrie gefunden. Mit den Milliarden aus der Versteigerung der UMTS-Lizenzen startete Finanzminister Hans Eichel im Sommer 2000 die Operation „Haushaltskonsolidierung mit Spaß dabei“. Mit dem Fachkräftebedarf der Informationstechnik- und Telekom-Unternehmen begann Bundeskanzler Gerhard Schröder seine Greencard-Initiative und das Werben für eine moderne Zuwanderungspolitik. Mit der Ausgabe weiterer Telekom-Aktien wurden die Deutschen endgültig zu Volksaktionären. Das waren die besten Tage der Regierung Schröder.

Ein paar Tage nur muss die Geschichte von der erstaunlichen Rettung des Mobilfunkers Mobilcom halten. Dann ist Bundestagswahl. Danach wird jede Bundesregierung das Mobilfunkunternehmen mit kühlerem Kopf betrachten. Denn es gibt keinen wirklich nachvollziehbaren Grund für die Bundesregierung, Mobilcom zu retten. „Bankübliche Kredite“ sagt Wirtschaftsminister Werner Müller am Sonntag. Normale Geschäftsbanken aber standen für diese banküblichen Kredite nicht zur Verfügung. Am Montag spricht die Bundesregierung von einer „Rettungsbeihilfe“. Die aber darf nur zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs verwendet werden – und muss überdies von der EU-Wettbewerbskommission genehmigt werden. Von einem „Überfallkommando“ ist schließlich bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau die Rede, die den Kredit geben muss. Die Bank hat die Kredite weder prüfen können, noch hätte sie ablehnen dürfen. Warum also hat die Bundesregierung Mobilcom über Nacht gerettet – nachdem sie tatenlos zugesehen hatte, wie das Mobilfunkkonsortium Quam seine Beschäftigten feuerte und seine Investitionen in die UMTS- Technik einstellte? Nachdem sie gelassen zugeguckt hatte, wie Otelo oder Teldafax zurecht gestutzt wurden oder vom Markt verschwanden?

Weil bei Mobilcom der Termin der drohenden Pleite gefährlich war. Fünf Arbeitstage vor der Wahl konnte die Regierung Schröder nicht zusehen, wie 5500 Arbeitsplätze vernichtet werden. Sie konnte das Risiko nicht eingehen, dass Mobilcom sich als Opfer des Marktes verkaufen würde, oder, genauer: als Opfer eben jener Auktion von Mobilfunklizenzen, die gleichzeitig Höhe- und Wendepunkt der Telekommunikationseuphorie in Deutschland war.

Der Sturz der T-Aktie unter die Zehn-Euro-Marke in diesem Sommer war der erste Beweis dafür, dass nicht nur Gerhard Schröder die Bedeutung der Telekommunikationskonzerne für den Wahlkampf erkannt hat. Das Wahlkampfteam von Edmund Stoiber spielte die Karte der enteigneten Volksaktionäre so lange, bis Schröder den Telekom-Chef Ron Sommer nach Hause schickte. In der aktuellen Diskussion über die Höhe der Abfindung für Sommer sieht Schröder wohl zu Recht ein Wahlkampfmanöver. Was aber nichts darüber aussagt, ob es zündet. Dazu kommt, dass auch die wieder entbrannte Debatte um den Preis für die UMTS-Lizenzen heiß genug ist, um die Adhoc-Regierungsaktion bei Mobilcom zu begründen. Rund fünfzig Milliarden Euro nahm Finanzminister Eichel durch die Auktion ein. Nichts käme ungelegener, als eine Diskussion über die volkswirtschaftlichen Schäden, die diese Auktion möglicherweise angerichtet hat: Wie viele Arbeitsplätze sie gekostet hat, wie viel Steuerausfälle, wie viel Kapital sie an der Börse vernichtet hat. Zwar sind das Fragen, die sich seriös nicht beantworten lassen: Denn ob die UMTS-Auktion geschadet hat oder nicht, wird sich erst in ein paar Jahren sagen lassen. Dann, wenn die Kunden die neuen Handys kaufen und die neuen Dienste nutzen – oder eben nicht.

An diesem Wochenende aber kämpfte die Bundesregierung um etwas anderes. Sie kämpfte gegen die wieder aufbrechenden Erinnerungen der Wähler und Kleinaktionäre an das verlorene Geld im Neuen Markt und die Verluste bei der T-Aktie. Sie kämpfte um eine Lösung, sie kämpfte um ein paar Tage. Sie kämpfte darum, ihre beste Zeit nicht als Dementi enden zu lassen.

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