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Politik: Eine öffentliche Affäre

BERLINER FINANZPOLITIK

Von Lorenz Maroldt

Was wollte der Berliner Senat nicht alles verkaufen: die Messe, die Flughafengesellschaft, die Verkehrsbetriebe, Grundstücke, Wohnungen, die Bankgesellschaft, zur Not sogar die eigene Seele. Schnell und mutig sollte das wirken, wie ein Signal zum Aufbruch und ein Nachweis dafür, dass ein altes Kapitel der Stadtgeschichte, nämlich das der unbezahlbaren staatlichen Vollversorgung, endlich geschlossen wird. Dafür stand der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit, der auch auf anderen Feldern radikal mähte, dafür stand auch der Finanzsenator Thilo Sarrazin, der Beschimpfungen sammelt wie andere Leute Orden. Hauptsache, es bewegte sich was. Der Senat schien auf der richtigen Spur zu sein.

Doch plötzlich ist die Dynamik raus. Die neue Parole lautet: Alles behalten, auf bessere Zeiten warten. Dass im Hause Sarrazin, der ja selbst noch nicht fest eingebunden ist in das tradierte Berliner Politikgeflecht, auf einmal jenes abgegriffene, falsche Bild vom „Tafelsilber“ bemüht wird, das jetzt erst mal in Eigenarbeit poliert werden müsse, bevor es feilgeboten wird, weckt Erinnerungen an sehr morastige Zeiten. Denn wer sollte da wohl polieren: etwa diejenigen, die dazu beigetragen haben, das vermeintliche Silber so zu beschmutzen? Sarrazin selbst weiß doch sehr gut, dass Privatunternehmer besser polieren, also wirtschaften und sanieren können als der Staat. Und was nach einer Politur zum Vorschein käme, ist leider oft nur Blech. Da stellt sich die Frage: Können die nicht, oder wollen die nicht? Oder gar beides?

Nehmen wir mal freundlich an, sie können nicht so, wie sie wollen. Denn dafür gibt es Anhaltspunkte. Der Verkauf der Wohnungsbaugesellschaft GSW zum Beispiel scheiterte angeblich an einem zu niedrigen Angebot des Interessenten; das sei in der Koalition politisch nicht durchsetzbar, hieß es. Dass der Käufer zugleich die riesige Schuldenlast, die auf dem Unternehmen liegt, übernommen hätte, spielte in der Diskussion kaum eine Rolle. Also ist das Geschäft nicht an einem zu niedrigen Angebot gescheitert, sondern erstens an mangelnder Überzeugungskraft der Verkaufswilligen im Senat gegenüber den Fraktionen von SPD und PDS und zweitens an der fortwährenden Bereitschaft eben jener Fraktionen, immer doch noch ein bisschen Sozialismus zu spielen.

Der Verkauf der Bankgesellschaft scheiterte angeblich ebenfalls an einem zu niedrigen Angebot, wobei zudem etliche Risiken beim Land verblieben wären. Doch tatsächlich vereitelte hier eine Mischung aus Unerfahrenheit, Unfähigkeit und Unwillen schon während der Suche nach Käufern einen möglichen Erfolg. Noch ist nicht vollständig klar, welche Anteile daran die Bank trägt und welche der Senat. Die Bank jedenfalls scheint über das Scheitern der Verhandlungen nicht besonders unglücklich zu sein.

Bei der Privatisierung in Berlin kommt es nicht nur darauf an, schnell viel Geld zu erlösen. Er geht auch darum, unnötige Lasten und finanzielle Risiken loszuwerden. Der Schrei nach Hilfe vom Bund wirkte dann glaubwürdiger, die Hoffnung auf eine wachsende Wirtschaft realistischer. Der Verkauf der Bankgesellschaft wäre deshalb ein starkes Signal zur richtigen Zeit gewesen. Doch jetzt bleibt es erst mal dabei: Der Senat übt weiter, Unternehmer zu sein. Es scheint fast so, als fehlte dem Regierenden Bürgermeister zwar nicht der Mut, Besitzstände anzugreifen, wie er im Kampf mit den Gewerkschaften zeigt, aber die Kraft, Strukturen zu ändern, die in Staatsbetrieben und Regierungsparteien offenbar zementiert sind. Die Stadt ließe sich auch da von ihm gerne noch mal überraschen.

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