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Politik: Eine Reform, die nur wenig verändern soll

Die Sozialdemokraten wollen das Ehegattensplitting abschaffen – allerdings nicht bei den Paaren, die schon verheiratet sind.

Von Antje Sirleschtov

Berlin - Dass die steuerliche Besserstellung von Ehepartnern, also das Ehegattensplitting, ein Relikt aus den frühen Zeiten der Republik ist und damit nicht mehr ganz zeitgemäß, das ist längst keine Neuigkeit mehr. Und auch parteipolitisch gilt es mittlerweile als mehrheitsfähig in allen Lagern, das Splitting in absehbarer Zeit umzubauen.

Umso mehr waren Familienpolitiker aller Parteien in dieser Woche überrascht, als sie erfahren mussten, dass das Splitting bei Deutschlands Familien ganz offenbar noch immer einen sehr guten Ruf hat. 81 Prozent von tausend im Januar befragten Eltern mit minderjährigen Kindern hatten nämlich dem Umfrageinstitut Forsa gesagt, sie würden auf das Ehegattensplitting nicht verzichten wollen. Und unter ihnen waren auch viele Anhänger der Sozialdemokraten und der Grünen. Jener Parteien also, die in Vorbereitung der Bundestagswahl im September besonders klar eine Abschaffung des Ehegattensplittings in der gegenwärtigen Form versprochen haben.

Wenn die SPD an diesem Wochenende ihr Wahlprogramm beim Bundesparteitag in Augsburg verabschiedet, dann wird sie auch nach der aktuellen Forsa- Umfrage programmatisch an der geplanten Reform des Splittings nichts ändern. Seit Jahren sehen die Familienpolitiker das Splitting kritisch. Stammt es doch aus jenen Tagen, da Papa morgens zur Arbeit fuhr und Mama klassischerweise von der Hochzeit bis zur Bahre keiner Erwerbsarbeit nachging. Weshalb diejenige Ehen, in der „Er“ sehr viel und „Sie“ möglichst gar nichts verdient, zu den größten Profiteuren des Splittings gehören.

In einer Partei, in der Gleichstellung von Mann und Frau und Berufstätigkeit der Mütter großgeschrieben werden, kann jedoch ein steuerliches Mittel, das die Alleinverdiener-Ehe fördert, auf Dauer keine Unterstützung finden. Weshalb SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück seit dem vergangenen Herbst verkündet, dass eine Koalition unter seiner Führung das Splitting umbauen wird. Auch wenn der Kandidat selbst davon nicht immer überzeugt war.

Bei ihren Anhängern haben die Pläne der SPD allerdings zu Verunsicherung geführt. Seit Monaten gibt es Anrufe und kritische Zuschriften. „Viele Menschen fürchten, wir wollen das Ehegattensplitting ganz abschaffen“, fasst die SPD-Familienpolitikerin Caren Marks die Stimmung zusammen. Vor allem Frauen aus Westdeutschland, die wegen der fehlenden Kinderbetreuung nicht oder allenfalls bis mittags arbeiten und gearbeitet haben, seien besorgt, dass ihr Familienfinanzierungsmodell, zu dem sie oftmals gar keine Alternative haben, nun von einer SPD-geführten Bundesregierung zerstört werden könnte.

„Wir müssen da noch sehr viel Aufklärungsarbeit leisten“, sagt Marks. Zum Beispiel darüber, dass die SPD für bestehende Ehen einen Bestands- und damit einen „Vertrauensschutz“ geben will. „Keine bestehende Ehe wird betroffen sein“, verspricht die Familienpolitikerin Marks. Außerdem sollen gesetzliche Unterhaltsansprüche von Mann und Frau auch bei einer Hochzeit nach einer rot- grünen Regierungsübernahme steuerlich angesetzt werden können, was im Klartext heißt, dass wahrscheinlich das „Splittingvolumen“, der Betrag also, den Verheiratete bei der gemeinsamen steuerlichen Veranlagung im Vergleich zu Unverheirateten sparen, nur unwesentlich geringer als heute sein wird. Genauere Berechnungen dazu will die SPD erst nach der Bundestagswahl, also im Zuge der Erarbeitung eines Gesetzes, ermitteln. Aber eines soll schon jetzt versprochen sein: „Für einen großen Teil der Familien wird sich nichts ändern“, verspricht die Familienpolitikerin Marks.

Auch bei den Grünen ist das Ergebnis der Familien-Umfrage von Forsa mit Stirnrunzeln aufgenommen worden. Wenn man auch wegen der sozialen Struktur der eigenen Wähler nicht so große Rücksicht auf „Altehen“ nehmen muss. Die Grünen-Politikerin Kerstin Andreae erklärt sich das Festhalten der Familien am Ehegattensplitting damit, dass die Betroffenen noch keine konkreten Vorstellungen von einer alternativen rot- grünen Familienpolitik hätten. „Wer ein besseres Modell nicht erkennt, hält an Besitzständen fest“, sagt sie. Die Grünen wollen, anders als die SPD, auch bestehende Ehen in die Splittingreform einbeziehen – mit einer Deckelung und späterem Abschmelzen des Splittingbetrags. Die dadurch frei werdenden Steuermittel sollen in den Ausbau von Kinderbetreuung und in eine finanzielle Kindergrundsicherung investiert werden, bei der jedes Kind, unabhängig vom Familienstatus seiner Eltern und deren Einkommen, eine finanzielle Unterstützung erhält. „Jedes Kind soll dem Staat gleich viel wert sein“, beschreibt Andreae das Ziel.

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