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Politik: Eine Rolle rückwärts

HAUPTSTADT BERLIN

Von Hermann Rudolph

Alle Jahre wieder heißt die festtägliche WonneLosung, der wir uns gerade entwinden. Andererseits klingt so auch die Resignations-Formel für die Themen, die uns wie Kaugummi unter den Füßen kleben, weil die Politik sie nicht voranbringt. Die Ankündigung des Regierenden Bürgermeisters, er wolle sich für die Hauptstadt-Kommission stark machen, gehört in dieses peinliche Genre. Sie ruft ins Gedächtnis, dass die Frage, wie die Position Berlins im Gefüge der Bundesrepublik aussehen soll, auch im zwölften Jahr nach dem Hauptstadt-Beschluss nicht beantwortet ist.

Natürlich erinnert das auch daran, dass der Gedanke Papier geblieben ist. Wie überhaupt die Anstrengungen zur Lösung dieses Problemkomplexes, der doch in seiner Bedeutung für Berlin gar nicht zu überschätzen ist, in fast skandalöser Weise unangemessen geblieben sind. Da nehmen sich Diepgen- wie Wowereit-Senat nichts. Die Kommissions- Idee passt nahtlos in diese Linie. Indem Wowereit sie dem Bundespräsidenten anempfahl, befestigte er das Thema sozusagen im staatspolitischen Olymp – und ließ es dort hängen.

Die kühle Reaktion des Bundespräsidialamts spricht Bände. Man kann es ihm nicht verübeln, wenn es diesen Umgang mit dem Thema in die Kategorie politischer Anmache einordnet. Vor allem verwundert es, dass sich Wowereit offenbar immer noch Täuschungen über den Grad der Beliebtheit der Berliner Hauptstadt-Probleme hingibt. Natürlich sollte die deutsche Öffentlichkeit, sollten Bund und Länder Interesse daran haben, dass die Stadt die Hauptstadtrolle wahrnehmen kann. Aber solange sie nicht selbst an dem Thema arbeitet, wird sich wenig bewegen. Doch wo sitzt im Rathaus die hoch angebundene Beamten-Gruppe, die den Motor dieses Projekts bildet, Konzepte entwickelt, Vorschläge macht? In Hauptstadt-Sachen muss die oberste Maxime heißen: Berlin, tua res agitur, zuerst wird deine Sache hier verhandelt!

Allerdings ist die Sache von vornherein falsch aufgezäumt worden. Schon der Berlin-Pakt, den Wowereit nach seiner Wahl vorschlug, litt daran, dass er von der Nothilfe Berlin seligen Angedenkens nicht leicht zu unterscheiden war. Der Argwohn, dass Berlin nur ans Geld der anderen will, verhindert alle Ansätze zu einem Umdenken bei Bund und Ländern. Die Fixierung auf die Finanzen, die den Senat beherrscht, erzeugt – da haben die „Hugenotten“, die Berlin-Zuzügler in der CDU, Recht – eine regelrechte Blockade.

Immerhin hat die Debatte mittlerweile Perspektiven gewonnen, die den Blick hinausrichten über das – notwendigerweise – trostlose Fuß-an-Fuß-Drängen um das fehlende Geld. Der CDU-Vorsitzende Stölzl hat das kühne Projekt einer „föderativen Metropole“ gedacht. Die erwähnten „Hugenotten“ haben den notwendigen zweiten Anlauf zur Hauptstadt-Positionierung präzisiert. Der SPD-Vorsitzende Strieder hat über Berlin als europäische Metropole reflektiert.

Wenn Wowereit in diese Richtung zielt: Nur zu! Denn die Zeit drängt. Man muss die Stadt ja nicht optimistisch sehen. Aus Berlin, so hat Meinhard Miegel vor einiger Zeit messerscharf geunkt, kann gar nichts werden: geographisch schlecht platziert, irgendwie auch korrumpiert. Die Stadt werde „langsam auf die Größe Hamburgs eindunsten“.

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