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Politik: Eine Villa für den Diktator

Liberias Präsident Taylor will heute nach Nigeria ins Exil gehen – doch viele glauben nicht, dass er die Macht abgibt

Von Wolfgang Drechsler,

Kapstadt

Nach 14 blutigen Jahren scheint die Terrorherrschaft von Charles Taylor an diesem Montag endlich zu Ende zu gehen. Der 55-jährige Präsident des westafrikanischen Staates Liberia hat jedenfalls fest versprochen, um exakt 12 Uhr mittags aus dem Amt zu scheiden – und damit den Weg für einen dauerhaften Frieden in dem bürgerkriegszerstörten Land zu bahnen. Doch niemand weiß, ob Taylor wirklich die Macht an seinen Stellvertreter Moses Blah übergeben und in eine für ihn renovierte Villa in Nigerias Provinzstadt Calabar ins Exil gehen wird. Zu oft hat er seine Versprechen schon gebrochen.

Am Sonntagabend jedenfalls verabschiedete sich Taylor in einer Radioansprache. Er werde „ins Exil gezwungen“, klagte der Diktator. An das Volk gerichtet sagte er: „Ich kann eurem Leiden nicht länger zusehen. Das Leiden ist genug, Ihr seid ein gutes Volk gewesen. Ich liebe Euch vom Grunde meines Herzens und ich sage, wenn Gott will, werde ich zurückkommen.“ In Nigeria haben Sicherheitskräfte in Erwartung Taylors derweil das Gelände um seine neue, zweistöckige Unterkunft abgeriegelt, die auf einem Hügel über dem Parlament des Bundesstaats Cross River State liegt.

In Liberia wurde Taylor zuletzt nur noch von einer immer kleineren Zahl loyaler Soldaten – die meisten Kinder – unterstützt, deren Schlagkraft durch das Waffenembargo der Briten und Amerikaner nachhaltig geschwächt worden ist. Taylor musste fürchten, durch seinen Rücktritt das einzige Faustpfand zu verlieren, das er gegenüber einer Anklage durch das Kriegsverbrechertribunal im benachbarten Sierra Leone besitzt – denn nur so lange er Präsident ist, wird ihn kaum jemand ausliefern können.

Der Baptistenprediger, der sich mit Jesus Christus vergleicht, gilt als Pate des Terrors in der Region: Die Richter bezichtigen ihn der Unterstützung der Rebellen im Bürgerkrieg Sierra Leones. Deren Markenzeichen war es, ihren Gegnern die Unterarme abzuschlagen. In der vergangenen Woche forderte Taylor erneut, das Tribunal solle die Anklage gegen ihn zurückziehen. Doch die Richter in Sierra Leone haben sich davon bisher nicht beeindrucken lassen. So blieb bis zuletzt fraglich, ob Taylor wirklich das Land verlässt. Er weiß, wie viel von seinem weiteren Vorgehen abhängt. Er weiß, dass wohl nur sein Abgang die schwere humanitäre und politische Krise in Liberia beenden könnte, in deren Verlauf in den letzten beiden Monaten mehr als tausend Menschen ums Leben kamen und Zehntausende vertrieben wurden. (mit Reuters)

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