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Politik: „Eine wahnsinnige Bürokratie“

Krankenkassen, Ärzte, Wirtschaft: Das Gesundheitsmodell der Union wird auf breiter Front abgelehnt

Berlin Der Gesundheitskompromiss der Union stößt bei Krankenkassen, Ärzten und Wirtschaft auf Ablehnung. Die Prämie von 169 Euro pro Versicherten werde nicht reichen, um das Problem der Kassenfinanzierung zu lösen, sagte Eckart Fiedler, Vorstandschef der Barmer Ersatzkasse, am Montag im WDR. „Der Kompromiss ist schlechter als das jetzige System. Damit wird keine einzige der zukünftigen Anforderungen an das Gesundheitswesen erfüllt“, sagte Ingo Kailuweit, Vorstandschef der Kaufmännischen Krankenkasse KKH, dem Tagesspiegel. „Es ist gefährlich, wenn die Union suggeriert, dass sich viele besser stellen.“ Die Finanzierung laufe schlicht nach dem Prinzip linke Tasche, rechte Tasche.

Die Deutsche Angestellten-Krankenkasse kritisierte, dass im Entwurf unklar sei, ob alle Kassen die gleiche Pauschale erhielten oder je nach Mitgliederstruktur unterschiedliche Beträge bekämen. „Da muss nachjustiert werden“, sagte ein Sprecher. Durch die Fixierung des Arbeitgeberanteils auf 6,5 Prozent würden die Arbeitgeber aus der Verantwortung entlassen, die Kosten mit zu steuern.

Auch die Ärzte kritisierten den Plan. Es sei unverantwortlich, dem Bürger zu vermitteln, dass mit einer Prämie von 169 Euro der medizinische Standard zu halten sei, sagte Hans-Jürgen Thomas, Chef des Ärzteverbandes Hartmannbund.

Gesundheitsexperten nannten die teilweise Finanzierung der Krankenversicherung durch Steuern bedenklich. „Dann wägt der Finanzminister ab, ob es Geld gibt für Panzer oder für die Versorgung der Patienten“, sagte Peter Scriba, Vizechef des Gesundheits-Sachverständigenrates. Ohnehin werde die Belastung des Faktors Arbeit durch Gesundheitskosten „total überbewertet“. Gerd Glaeske, ebenfalls Sachverständiger, nannte den Kompromiss „eine Kopfgeburt“. Die Verbindung von Sozial- und Steuersystem funktioniere nicht und bringe eine „wahnsinnige, nicht umsetzbare Bürokratisierung“. Zudem sei sie unsolidarisch, weil Besserverdienende dank der Gestaltungsmöglichkeiten im Steuersystem ihren Beitrag drücken könnten. Daher könne dem Gesundheitssystem das Geld ausgehen, wenn die Unionsidee umgesetzt würde.

Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) bezeichnete die Lösung als „unglücklich“. Die Gesundheitskosten würden nur zum Teil vom Lohn abgekoppelt, sagte BDI-Präsident Michael Rogowski. Das sei zwar ein Schritt in die richtige Richtung, er werde aber bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt. brö/pet

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