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Politik: Einer freut sich

Premier Blair gehört zu den wenigen Briten, die US-Präsident Bush gern im Land sehen. Die meisten protestieren

US-Präsident Bush freut sich auf den Staatsbesuch in einem Land, in dem Demonstrationen erlaubt sind. „Das ist es, worum es bei der Freiheit geht, für die wir kämpfen.“ Der Präsident trifft am Dienstag zu einem dreitägigen Besuch in Großbritannien ein – der erste wirkliche Staatsbesuch eines amerikanischen Präsidenten seit 1918.

Aber Bushs Begeisterung wird im Gastland nur mit knirschenden Zähnen geteilt. „Diese Dreistigkeit!“, schimpfte Reg Keys, Vater eines im Irak gefallenen Soldaten. „Wie wagt er es, sein Gesicht zu zeigen, nachdem für seinen Ruhm 54 britische Soldaten starben?“ Bush will Angehörigen die edle Sache erläutern, für die ihre Söhne starben. Doch viele weigern sich, ihn zu sehen. „So fühlten sich die Gallier, wenn der römische Kaiser zu Besuch kam“, schrieb der „Daily Telegraph“. Der „Guardian“ fand einen noch kühneren Vergleich: Bush sei so willkommen wie eine Stripteasetänzerin bei einer Hochzeit.

Zehntausende dürften am Donnerstag bei einer Anti-Bush-Demonstration den Verkehr in London lahm legen. Die Angst vor einem Al-Qaida-Selbstmordanschlag im Schutz dieser Massen geht um. Schon jetzt arbeiten Hunderte von Polizisten und Sicherheitsbeamten rund um die Uhr für die Sicherheit des Staatsgasts, der mit einem Tross von 700 Mann, zwei Fahrzeugkonvois, 15 Schnüffelhunden und vier Köchen anreist. Es geht um wahlkampftaugliche TV-Bilder, wie sie einst etwa von Ronald Reagan beim Aufritt mit der Königin gedreht wurden. Die Demonstranten wollen Bush das möglichst verderben.

Zudem will sich niemand in London so recht erinnern, wie, wann und warum der Besuch angesetzt wurde. Schon vor zwei Jahren habe das Königliche Besuchskomitee den Termin festgelegt, heißt es im Außenministerium. So ein paar Monate vor der amerikanischen Präsidentschaftswahl, nach einem triumphalen Sieg im Irak, wenn der Vormarsch von Demokratie und Frieden im Nahen Osten an Tempo gewinnt – das wäre schon eine „Foto Opportunity“ gewesen. Doch nach den Anschlägen der letzten Tage präsentiert sich die amerikanisch-britische Kriegskoalition der Welt ausgerechnet in der Stunde höchster Not mit allem Pomp eines britischen Staatsaktes. Premier Tony Blair verteidigt den Besuch energisch: „Dies ist genau der richtige Zeitpunkt“, sagte er beim feierlichen Lord Mayor’s Banquet.

In Wahrheit kommt der Besuch schon wegen der innenpolitischen Optik ungelegen. Blair will sich nach den Krisen der vergangenen Monaten als Meister der inneren Reformpolitik zeigen, nicht als einer, der ständig durch die Außenpolitik abgelenkt ist. Nach einer Umfrage der „Times“ halten gut die Hälfte der Briten die große Nähe Blairs zu Bush für schädlich. Distanz müsste Blair auch zeigen, um wieder Spielraum in der Europapolitik zu gewinnen. So könnte er Bush den britischen Kompromisskurs bei der europäischen Verteidigungspolitik erläutern oder im Streit um die britischen Gefangenen in Guantanamo Bay Zähne zeigen, vom Kyoto-Klimaabkommen oder dem internationalen Gerichtshof gar nicht zu reden.

Doch Blair und Bush sind entschlossen, nun für die Kerngedanken ihrer gemeinsamen Politik zu werben. Aids-Bekämpfung und der Nahe Osten werden im Zentrum stehen. Bush bezeichnete vor kurzem Frieden und Demokratie im Nahen Osten als „eine große gemeinsame Aufgabe für Amerika und Europa“. Blair wird in dieselbe Kerbe hauen und unermüdlich die Rolle des amerikanisch-europäischen Brückenbauers spielen. Im Irak werde ein epochaler Kampf um die Demokratie ausgetragen, der die Beziehungen zwischen dem Westen und der moslemischen Welt auf Jahrzehnte definiere, sagte er. „Bei einem solchen Unternehmen gibt es keine vernünftige Alternative zu einer Zusammenarbeit zwischen den USA und Europa.“

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