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Politik: Einer für alle

Der Hautkrebs hat sich über seine Nase hergemacht. Langsam wird die Wunde größer.

Der Hautkrebs hat sich über seine Nase hergemacht. Langsam wird die Wunde größer. Heinz Dankenbring trägt es mit Fassung: "Das frisst sich durch, es wurde schon mehrmals operiert." Doch vertraut der 65-Jährige darauf, dass ihm die Kraft erhalten bleibt für seine Arbeit: In Kaufbeuren betreut er vermutlich röntgenverstrahlte frühere Radartechniker der Bundeswehr, die, schwer krebskrank, in einer Selbsthilfegruppe versuchen, ihr Versorgungsansprüche beim früheren Dienstherrn geltend zu machen.

Bis heute haben die meisten der rund 2000 Betroffenen oder deren Hinterbliebenen keine Zusatzrente bekommen - obgleich Verteidigungsminister Scharping im Juni versprochen hatte, Entschädigungen noch in diesem Jahr "schnell und großherzig" auszuzahlen. Wenige Tage vor Weihnachten nun beeilt sich das Ministerium anzukündigen, dass "noch in dieser Woche die ersten Entscheidungen" bekannt werden sollen. Wie der Tagesspiegel erfuhr, soll jedoch nur ein Soldat, der am Flugabwehrsystem Hawk saß, entschädigt werden.

Seit fast einem Jahr sammelt Heinz Dankenbring mit zwei früheren Kameraden im "Bund zur Unterstützung Radargeschädigter" alle Daten über ihre Arbeit in den 60-er und 70-er Jahren. Damals arbeiteten die Techniker an offenbar unzureichend geschützten Radaranlagen. Die bei Radar entstehende Röntgenstrahlung kann Zellen bösartig verändern. Gemessen wurde damals kaum - zu gering waren die Kenntnisse über das Gesundheitsrisiko. Warnungen von Fremdfirmen, die mit der Wartung der Anlagen beauftragt waren, wurden in den Wind geschrieben (der Tagesspiegel berichtete). "Dafür habe ich sogar noch Verständnis, da fehlte das Wissen", sagt Heinz Dankenbring. Aber: "Warum bekommen wir heute, wo alle Strahlungsrisiken bekannt sind, nicht die Rente?" Nachdem ein Richter seinen Fall 1991 hatte ruhen lassen, wurde er im März wieder aufgerollt. Jetzt fängt der Sachbearbeiter mit seinen Ermittlungen zum Arbeitsumfeld wieder von vorne an.

Dankenbring sagt: "Ich bin nicht so erzogen, dass ich meinen Dienstherrn verklage. Aber ich brauche die Anerkennung dieser Berufskrankheit." Denn es ist nicht nur der Hautkrebs. Dankenbring leidet unter Darmpolypen, mehrere Schweißdrüsen mussten entfernt werden, und 1966 sagte ihm ein Arzt, dass er zeugungsunfähig sei.

Ob er jemals gesunde Kinder hätte zeugen können? Die Frau eines Kollegen, der wie Dankenbring an den Radargeräten AN/MPS-14 und AN/Tps-1D saß, hatte fünf Jahre zuvor einen schwerst mehrfach behinderten Jungen zur Welt gebracht. Der Chefarzt der Kinderklinik wurde stutzig, weil zwei weitere Kinder in seinem Haus missgebildet geboren wurden - auch ihre Väter waren Radartechniker. Der Arzt alarmierte das Innenministerium und die zuständigen Strahlenforschungsinstitute, weil er "fast etwas an einen Zusammenhang denken möchte". Dies zu prüfen oder auch die zweite potenzielle Opfer-Generation zu entschädigen, lehnt das Bundesverteidigungsministerium kategorisch ab.

Claudia Lepping

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