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Niedersachsen. Ministerpräsident McAllister (l.) und Erbprinz Ernst August. Foto: dpa

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Politik: Einer für die Zeit nach Merkel

Niedersachsens Ministerpräsident McAllister gehört zu den Stillen in der CDU – ihm genügt auch das Regieren im Land

Von Robert Birnbaum

Der Erbprinz soll jetzt auch mal was sagen, aber Ernst August guckt unsicher in die vielen Kameralinsen und schüttelt den Kopf: „Lieber nicht“, murmeln Ihre Königliche Hoheit. Also übernimmt David McAllister das Kommando und freut sich über die Ehre, vom Schlossherrn persönlich auf Schloss Marienburg begrüßt zu werden. Marienburg ist das Neuschwanstein der Welfen, ein Schlösschen von 1867 im nachgemachten Ritterstil. Das Land Niedersachsen wiederum ist der Rechtsnachfolger des Königreichs Hannover, der Ministerpräsident mithin so etwas wie der Erbprinz des Erbprinzen, weshalb, wer mag, den Handschlag auf einem sonnenbeschienen Kiesweg als historisches Gipfeltreffen sehen kann.

Auch sonst haben der 27-jährige Welfenspross und der 40-jährige Christdemokrat einiges gemein. Beide sind der überregionalen Presse bisher aus dem Weg gegangen, beide kennt deshalb so richtig keiner, und beiden war das bisher auch ganz recht. Aber wenn man den Fototermin zum Auftakt der ministerpräsidentialen Sommerreise richtig deutet, dann soll sich das jetzt langsam ändern.

Dass McAllister so gar keine Rolle spielen mochte – kaum Interviews, kaum ein Hintergrundgespräch – war um so auffälliger, als er in der CDU-Führungsreserve einen zentralen Platz besetzt. Wer nach den Gesichtern der Nach-Merkel-Zeit fragt, dem wird Ursula von der Leyen genannt, Norbert Röttgen natürlich – und, nach kurzem Nachdenken, McAllister.

Schon von Amts wegen hat der eine Schlüsselrolle inne. Niedersachsen ist – neben Hessen – letzte große West-Bastion der CDU. 2013 wird gewählt, ein halbes Jahr vor der Bundestagswahl. McAllisters Erfolg oder Misserfolg kann das Schicksal der Kanzlerin mitentscheiden.

Die Zeit bis dahin ist knapp. Christian Wulffs Kronprinz war er zwar seit langem – der hatte seinem Fraktionschef sogar schon die Parteiführung übergeben. Doch von einem Bundespräsidenten Wulff stand nichts im Plan. McAllister musste rasch übernehmen und versucht seither, erst mal im eigenen Land bekannt zu werden. Das mag einen Teil der bundespolitischen Enthaltsamkeit erklären. Der Erbprinz gehört übrigens in dieses Programm: Wulff hat zu den Welfen Distanz gehalten, wegen Ernst Albrechts Vater, besser bekannt unter Beinamen, die man nicht zitieren darf. E.A. Junior liefert Blaublut-Bilder mit Ministerpräsident auf Zinnenmauer ohne Beigeschmack.

Der andere Teil der Erklärung liegt in dem Tonfall, in dem McAllister über „Berlin-Mitte“ spricht. Wer ihm da zuhört, muss „Berlin-Mitte“ für ein Reich voll eitler Halbirrer halten, die mit permanenten SMS-Botschaften an die Hauptstadtpresse jede Präsidiumssitzung zur öffentlichen Veranstaltung degradieren und jede politische Eintagsfliege zum Eintagselefanten aufpusten. Er war selbst schon Opfer solcher Mechanismen, als angebliches Mitglied jener „Einstein-Runde“, in der ein paar Jungspunde um den CSU- Mann Markus Söder eine konservative Erneuerung der Union ausrufen wollten. Dabei saß McAllister gar nicht in dem Promi-Café Unter den Linden, sondern im Landtag in Hannover.

„Ich bin leider kein Konservativer“, bedauert er. Das soll ironisch klingen, aber vor allem der Einordnung in Schubladen vorbeugen. Wulff hat ihm die Vorzüge der Farblosigkeit beim Regieren eines Landes vorgemacht, das halb rot ist und halb schwarz. Das Schicksal des „Einstein“-Konservativen Stefan Mappus in Baden-Württemberg hat ihm umgekehrt gezeigt, wie fatal das falsche Etikett zur falschen Zeit sein kann. Atomkraft fand er allerdings schon falsch, als das noch nicht chic war. Merkels Kurs unterstützt er meistens, und anders als Wulff meistens ohne süffisante Randbemerkungen. Für McAllister ist die Kanzlerin so wenig Konkurrenz wie umgekehrt – er ist schlicht die nächste Generation.

Er tut nur vorläufig so, als wüsste er davon nichts. Als ihn Merkel 2005 als Generalsekretär wollte, winkte er ab. Heute versichert er, dass er doch gar nichts werden wolle in Berlin. Ernst nehmen muss man das nicht. Dafür weiß McAllister viel zu genau, wie gut auf dem flachen Land Sprüche gegen die Hauptstadt ankommen. Und er kennt die Halbwertszeit selbst ziemlich ernster Vorsätze. Einmal hat er sich mit seinem Freund Philipp Rösler geschworen, in Hannover zu bleiben. Der Provinzlerbund hielt bis zu der SMS, die der FDP- Mann schickte: „Hallo David, es tut mir leid, ich geh nach Berlin.“

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