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„Einfach das Maul halten.“ Kurt Beck dreht sich zu dem Rufer um.

© /SWR

"Einfach das Maul halten": Beck bereut Wutausbruch vor laufender Kamera nicht

„Können Sie mal das Maul halten einen Moment, einfach das Maul halten, wenn ich ein Interview mache?“ Mit diesem Ausraster schockierte Ministerpräsident Kurt Beck beim Einheitsfest in München. Seine Worte bereut er nicht, wie er nun ausrichten ließ. Ganz unrecht hat er nicht.

Von Andreas Oswald

Wer sich das Video mit dem Wutausbruch von Kurt Beck anschaut, bekommt einen etwas anderen Eindruck von der Atmosphäre, als es die wörtlichen Zitate nahelegen. Die Sonne scheint grell, es ist sehr warm an diesem Einheitsfeiertag. Am Rande der Feierlichkeiten in München konzentriert sich der scheidende Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz auf das Fernseh-Interview mit dem SWR. Es herrscht viel Trubel um ihn herum, viele Leute stehen herum, reden. Für die Mikrofone kaum hörbar ruft ein Passant von schräg hinten rein und verwirrt Beck, der gerade angefangen hatte, eine Frage zu beantworten. Der Passant ruft: „Die Bayern bezahlen den Nürburgring und den Betzenberg.“ Es ist nicht eindeutig klar, ob es wirklich die Stichworte „Nürburgring“ und „Betzenberg“ sind, die Beck provozieren. Er scheint eher entnervt zu sein, dass das Interview gestört wird, auf das er sich gerade konzentriert. Beck, der merkt, dass das Interview wegen der Zwischenrufe nicht weitergehen kann, dreht sich um und sagt zu dem Passanten: „Können Sie mal das Maul halten einen Moment, einfach das Maul halten, wenn ich ein Interview mache?“ Als der Kritiker sagte, er sei ehrlich, entgegnete Beck: „Sie sind nicht ehrlich, Sie sind dumm.“ Beck sagt das einerseits alles laut und sichtlich entnervt, gleichzeitig hat er aber auch gegen Ende etwas Heiteres in der Stimme, als seien seine Worte nicht so drastisch gemeint, wie sie klingen. Schärfe bekam der Vorfall vor allem, weil die wörtlichen Zitate später über die Agenturen verbreitet wurden. Am Freitag ließ Beck klarstellen, dass er seinen Ausbruch nicht bereut. „Auch ein Politiker muss sich nicht alles gefallen lassen“, sagte Regierungssprecherin Monika Fuhr der „Bild“-Zeitung. Beck sei während eines Interviews angeschrien worden. „Dagegen hat er sich mit deutlichen Worten verwahrt“, sagte die Sprecherin. Wer austeile, müsse auch einstecken können.

Vielleicht hat sie nicht unrecht. Wenn ein Bürger einen Politiker stört und unterbricht, wird das als legitime Kritik bewertet, wenn der Politiker nicht aalglatt und freundlich bleibt, dann wird das als „Entgleisung“ bezeichnet. Diesen Begriff wählte die CDU, als sie den aktuellen Vorfall kommentierte.

Hinzu kommt, dass der Passant nicht nur das Stichwort „Nürburgring“ ansprach, sondern eben auch „Betzenberg“. Er wusste offenbar ganz genau, dass Beck Kaiserslautern-Fan ist und dass er ihm damit an die Ehre geht.

Politiker müssen ständig kontrolliert sein. Da ist es kein Wunder, dass irgendwann einem der Kragen platzt. Wie viel Provokation müssen sich Politiker gefallen lassen? In der Öffentlichkeit gehen sie immer ein hohes Risiko ein, dass einer dahergelaufen kommt und die Gelegenheit nutzt. Als der Arbeitslose Henrico Frank 2006 Kurt Beck anpöbelte, er sei schuld an Hartz IV, kam Becks Antwort zum Schrecken seiner Wahlkampfhelfer ziemlich spontan: „Wenn Sie sich waschen und rasieren, haben Sie in drei Wochen einen Job.“ Der Berliner Politpirat Christoph Lauer reizte kürzlich bei Maybrit Illner Beck zur Weißglut.

Legendär sind auch Ausfälle anderer Politiker. Kanzleramtsminister Ronald Pofalla (CDU) ging den CDU-Bundestagsabgeordneten Wolfgang Bosbach wegen dessen ablehnender Haltung zur Erweiterung des Rettungsschirms EFSF vor anderen frontal an: „Ich kann deine Fresse nicht mehr sehen.“ Als Bosbach daraufhin in freundlichem Ton auf die in der Verfassung verankerte Gewissensfreiheit der Abgeordneten verwies, erwiderte Pofalla: „Ich kann den Scheiß nicht mehr hören.“

Als Helmut Kohl, Kanzler der Einheit, im Mai 1991 die Stadt Halle besuchte, wurde er von einer Gruppe Jugendlicher mit Eiern beworfen. Statt sich hinter den Regenschirm zu stellen, den Leibwächter aufgespannt hatten, rannte Kohl wutentbrannt los, um einen der Eierwerfer, den er identifiziert hatte, zur Rede zu stellen. Es kam zu einem Handgemenge. Die linke Wochenzeitung „Freitag“ machte jahrelang Werbung mit einem Foto, wie Kohl auf die Jugendlichen losgeht sowie dem Kohl-Zitat „Aufeinander zugehen“.

Frankreichs ehemaliger Präsident Nicolas Sarkozy hat einmal auf einer Landwirtschaftsmesse ein Bad in der Menge genommen und viele Hände geschüttelt. Als ein Mann sich abwandte und sagte: „Fass mich nicht an“, fuhr Sarkozy aus der Haut. „Dann hau doch ab.“ Der Besucher legte nach: „Du beschmutzt mich.“ Sarkozy: „Dann hau doch ab, Du Arschloch.“

Das Video zum Beck-Ausraster können Sie hier sehen

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