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Politik: Einfühlsam

Foto: Rückeis / Montage: DP HINTER DEN LINDEN Vor einem halben Jahrhundert, als wir Deutschen uns langsam wieder trauten, uns in der Welt – nunmehr touristisch – herumzutreiben, da gaben unsere Reiseführer gern Auskunft über den vor Ort anzutreffenden Nationalcharakter. Es war putzig.

Von Robert Birnbaum

Foto: Rückeis / Montage: DP

HINTER DEN LINDEN

Vor einem halben Jahrhundert, als wir Deutschen uns langsam wieder trauten, uns in der Welt – nunmehr touristisch – herumzutreiben, da gaben unsere Reiseführer gern Auskunft über den vor Ort anzutreffenden Nationalcharakter. Es war putzig. Vom Briten („distinguiert“) war zu lesen, dass er das Bier spülwasserwarm und die Erbse salzlos zu sich nehme, ansonsten von ausgesuchter Höflichkeit sei, aber unfroh reagiere, wenn jemand sein Grundstück („my home is my castle“) betrete. Dem Sizilianer („heißblütig“) wurde schon mal eine Neigung zu Raufhändeln bescheinigt, dem Franzosen („charmant“) eine hartnäckige Germanophobie. Heutige Reiseführer-Literatur ist politisch korrekt geworden und trieft derart vor Verständnis für fremde Lebensart, dass sich die Autoren erst umständlich entschuldigen, bevor sie anzudeuten wagen, dass das WC in Südindien eher noch nicht so verbreitet ist oder dass der Grieche womöglich in gewissen Situationen schneller den Gleichmut verlieren könnte als, sagen wir, der Ostwestfale.

Nur eine deutsche Institution traut sich noch was. Das ist die Bundeswehr. In den Transall-Transportflugzeugen gibt es hinten einen Notausstieg. Da steht, wegen internationalen Engagements, in drei Sprachen die Bedienungsanweisung dran. Und die folgt offenkundig dem Nationalcharakter. Der Brite soll nämlich entlang der Markierung schlitzen. Der Franzose wird gebeten, gegen die Klappe zu drücken. Auf Deutsch aber lautet die Anweisung kurz und knapp: Draufschlagen. Nun müsste gelegentlich nur noch einer überprüfen, ob wirklich alle drei Methoden nach draußen führen.

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