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Politik: Einheitsfeier: Es geht um ihre Macht: Kohls Absage für die Einheitsfeier schwächt die Parteivorsitzende (Kommentar)

Nun hat Helmut Kohl selbst die Debatte um seine Teilnahme an der Einheitsfeier in Dresden beendet: Er hat abgesagt. Reden durfte er nicht, kommen will er nicht.

Nun hat Helmut Kohl selbst die Debatte um seine Teilnahme an der Einheitsfeier in Dresden beendet: Er hat abgesagt. Reden durfte er nicht, kommen will er nicht. Ein Zeichen von Stärke ist das nicht, aber eines von politischer Restklugheit. Nun feiert die Union ein eigenes Fest, mit sich selbst - und wenigstens die Adenauer-Stiftung eines mit Helmut Kohl. Ein Zeichen der Stärke ist auch das nicht, nur eines der Not.

Hochnotpeinlich ist der ganze Vorgang für die Parteiführung. Wollen CDU-Chefin Angela Merkel und ihr Generalsekretär Ruprecht Polenz mit der Alternativveranstaltung verhindern, dass die Boykottaufrufe einiger Parteifreunde gegen die Feiern in Dresden die ganze Zerrissenheit der Union offen legen? Natürlich, was denn sonst! Aber das Gegenteil dürfte geschehen. Die separate CDU-Feier wird beides zeigen: wie isoliert die Union derzeit ist und wie integriert Kohl in der Union schon wieder ist. Beides gehört zusammen und bedingt einander.

Die ganze Aufregung um die Frage, ob der Alt-Kanzler Kohl in Dresden reden soll oder nicht, zeigt zwei Dinge: Die CDU hat ihr Verhältnis zu ihrem einstigen Übervater immer noch nicht geklärt, und die innerparteiliche Schonfrist für die neue Vorsitzende Merkel ist ganz offensichtlich beendet. Darauf reagiert sie, indem sie vor dem Druck zurückweicht - ein Zeichen von Schwäche. Angela Merkel möchte vielleicht endlich aus dem Schatten Helmut Kohls treten. Aber die Partei lässt sie nicht. Und Kohl lässt sie erst recht nicht. Denn der Schatten bewegt sich - immer noch: Nun hat der Schattenmann Kohl ihr auch noch die Regie in der leidigen Rednerfrage aus der Hand genommen.

Welchen Grund gab es für einen Christdemokraten, auf Kohls Rede in Dresden zu bestehen? Niemand wird ernsthaft seine Verdienste um die deutsche Einheit bestreiten wollen, auch wenn sie gemeinhin wohl doch etwas überschätzt werden. Noch steht die Parteispendenaffäre der CDU aber dagegen. Kohl verteidigt unbeirrbar sein Schweigen und stellt seine Interessen über das Recht. Das ist auch nach zehn Monaten noch ein ungeheurer Vorgang. Doch in der Partei meinen offenbar immer mehr, auch dieser Skandal lasse sich aussitzen.

Merkel und CDU/CSU-Fraktionschef Friedrich Merz haben die notwendigen Konsequenzen aus der Affäre nicht ziehen können. Das würde die Partei innerlich zerreißen. Das ist das Dilemma, in dem Merkel und Co. stecken. Damit ist die neue Führung schwach - zu schwach, um die Grenzen zu Kohl klar zu ziehen und doch seine Bedeutung für die CDU zu bewahren. Die Parteivorsitzende versucht, die Dinge zusammenzubinden. Sie führt nicht, sie laviert. So sympathisch ihre abwägende Art und ihr Mut, Unsicherheit auch öffentlich einzugestehen, menschlich auch sein mögen: Es weckt immer mehr Zweifel an ihrer Durchsetzungskraft.

Das ist auch bei inhaltlichen Fragen so. Beispiel Rentenreform. Da betont die CDU-Vorsitzende immer wieder, dass sie den Konsens mit der rot-grünen Bundesregierung wolle. Aber den Ton bestimmen die anderen, wie Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber, der lieber auf Konfrontation setzt. Oder bei der Steuerreform. Da war von Merkel nichts zu hören. Der junge Fraktionsvorsitzende Friedrich Merz, dem es an Selbstbewusstsein wahrlich nicht mangelt, hat den Konflikt mit der Regierung auf die Spitze getrieben. Warnende Stimmen aus den eigenen Reihen hat er nicht einmal angehört, so dass erfahrene Kollegen, die manches Vermittlungsverfahren miterlebt haben, am Ende nur noch betreten schweigend in den Runden saßen.

Jetzt, nachdem Finanzminister Eichel seine Reform mit den Stimmen CDU-regierter Länder durchsetzte, steht Merz nackt da. Die Fraktion ist so schwach wie die Partei. Da erinnert es an ein ziemlich lautes Pfeifen im Walde, wenn CDU-Generalsekretär Ruprecht Polenz jetzt in Berlin vom Wahlsieg 2002 spricht. Er mahnt eine Parteireform an, die der CDU mehr Mitbestimmung und mehr Transparenz bringen soll. Also genau das, woran es in der Ära Kohl am stärksten mangelte. Für Angela Merkel geht es allmählich langsam um die Machtfrage. Entweder sie führt. Oder sie wird vorgeführt.

Carsten Germis

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