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Politik: Einheitsfest mit Chinapfanne

BERLINS 3.OKTOBER

Von Gerd Appenzeller

Irgendwie hat’s nicht geklappt dieses Jahr. Entweder ist der Hauptsponsor abgesprungen, oder es gab Probleme mit dem Genehmigungsverfahren, oder es kam beides zusammen. Jedenfalls wird es am Nationalfeiertag rund ums Brandenburger Tor kein Fest geben. Und weil die im jährlichen Wechsel jeweils in einem anderen Bundesland stattfindende offizielle Feier zum 3.Oktober dieses Jahr in Magdeburg domiziliert, ist in Berlins Zentrum eben nichts los fürs Volk an diesem Tag. Das regt so richtig niemanden auf. Nationale Gefühle hat man sich zuletzt am 3. Oktober 1990 gegönnt, als die Einheit auf dem Platz der Republik wirklich gefeiert wurde. Ob’s denn richtig sei, dass der offizielle Festakt anderthalb Jahrzehnte wie ein Wanderzirkus durch die Republik tingelt, ob er sich nicht Berlin als ständigen Ort für Staatsakt und Volksfest vorstellen könne, wurde Berlins Wirtschaftssenator Harald Wolf gefragt. Seine Antwort zeigt nicht nur, wie viel ein Politiker mit sozialistischen Grundüberzeugungen von der Marktwirtschaft inhaliert hat, sondern eben auch, welchen Stellenwert der Nationalfeiertag besitzt: Das wäre zwar, andererseits, nicht gut für den Föderalismus, aber, einerseits, durch die zusätzlichen Großveranstaltungen gut wegen der nach Berlin fließenden Kaufkraft.

Harald Wolf hat ja Recht. Magdeburg wird in wenigen Tagen sicher ein exzellenter Gastgeber für den Staatsakt sein, aber es wäre, auch aus wirtschaftlichen Gründen, schön, wenn er in Berlin stattfände. Auch. Vielleicht sollten wir endlich einmal darüber nachdenken, ob sich die Debatte über die Gestaltung des 3.Oktobers in Berlin wirklich in der bangen Frage erschöpfen kann, ob es rund um das Brandenburger Tor wieder Currywurst und Chinapfanne gibt. Wir dürfen für jeden Sponsor dankbar sein, der, um an prominenter Stelle seinen Namen präsentieren zu können, die Kosten für Feste beim Bundespräsidenten oder eben auch am 3.Oktober übernimmt. Aber es grenzt schon an mentale Selbstverstümmelung eines großen Landes, wenn die Antwort auf die Frage „Sponsor oder nicht“ darüber entscheidet, ob der Nationalfeiertag in der Hauptstadt gefeiert werden kann oder einfach ausfällt.

Dieser Ansatz ist unwürdig, für alle Betroffenen. Erstens, weil Geldmangel keine Begründung für den Verzicht auf angemessene Selbstdarstellung eines Landes sein kann – niemand plädiert ja für eine Orgie in Wagner und Brokat. Zweitens, weil sich in dieser private public partnership auch jeder Sponsor unwohl fühlen muss, der ja spürt, dass der Staat unfähig ist, einen angemessenen Rahmen zu setzen – was machen wir eigentlich, wenn Beate Uhse selig rund ums Brandenburger Tor Kondome aufblasen lassen wollte? Drittens, weil sich auch die Berliner selbst zu schade sein sollten, auf dieses Jahrmarktniveau heruntergedimmt zu werden.

Was muss geschehen? Bund und Länder sollten sich darauf verständigen, dass die Hauptveranstaltung zum Nationalfeiertag da stattfindet, wo die Deutschen 1990 die Einheit feierten: rund um den und im Reichstag – über seinem Hauptportal steht das gültige Motto „Dem Deutschen Volke“. Der Bundestag sollte es auch sein, der die Gestaltung des Tages bestimmt. Das Bezirksamt Mitte darf dann entscheiden, wo die Currywürste gebraten werden.

Den Bundesländern bleibt es unbenommen, in den jeweiligen Hauptstädten den Tag zu feiern und auch in Berlin selbst. Die neuen Landesvertretungen im Zentrum Berlins wären der richtige Ort dafür. Sieben Länder, von CDU, SPD, PDS oder FDP regiert, haben jetzt den Anfang gemacht. Sie laden am 3.Oktober in die Ministergärten zu einem Volksfest ein.

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