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Die Länder sind sich einig: die Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz und Thüringens Ministerpräsidentin, Christine Lieberknecht (CDU) argumentiert für einen Vorbotsantrag.

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Einigung zu NPD-Verbotsantrag: Länder setzen Zeichen gegen Rechtsextremismus

Die Länder wollen einen neuen Anlauf für ein NPD-Verbot starten. Die Ministerpräsidenten sprachen sich am Donnerstag bei einem Treffen in Berlin dafür aus, ein neues Verbotsverfahren gegen die rechtsextreme Partei einzuleiten. Wie geht es nun weiter?

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Die Länder sind über ein neues NPD-Verbotsverfahren einig. Die Ministerpräsidenten beschlossen bei einem Treffen am Donnerstag in Berlin, einen neuen Anlauf zum Verbot der rechtsextremen Partei zu wagen. Die Ministerpräsidenten folgten einer Empfehlung der Innenministerkonferenz vom Vortag.

Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck sagte, mit dem einhelligen Beschluss werde ein klares Signal ausgesandt, “dass unsere Demokratie wehrhaft ist und braunen Umtrieben nicht tatenlos zusehen wird“.

Es war eine schwierige Entscheidung. Drei Länder standen einem neuen Verbotsantrag besonders skeptisch gegenüber: Niedersachsen, Hessen und das Saarland. Niedersachsen lenkte bereits vergangene Woche ein, als ein neues Gutachten die Erfolgsaussichten für ein neues Verfahren positiv darstellte.

Hessen und das Saarland gaben zwar kurzfristig nach. Zusammen mit Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) verfassten die beiden Länder aber eine Protokollnotiz. Darin heißt es unter anderem: „Über die Erfolgsaussichten eines Parteiverbotsverfahrens gibt es im Hinblick auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte nach wie vor erhebliche Risiken. Dabei ist zu bedenken, dass bei einem Scheitern – wie schon das erste Verfahren 2003 gezeigt hat – die Gefahr besteht, dass die NPD letztlich gestärkt aus einem solchen Verfahren hervorgeht.“

Bis hier hin und nicht weiter: Die Innenminister haben ein Zeichen gesetzt - sie wollen ein NPD-Verbotsverfahren. Im Bild: Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (l.) und der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, Mecklenburg-Vorpommerns Ressortchef Lorenz Caffier (r.).
Bis hier hin und nicht weiter: Die Innenminister haben ein Zeichen gesetzt - sie wollen ein NPD-Verbotsverfahren. Im Bild: Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (l.) und der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, Mecklenburg-Vorpommerns Ressortchef Lorenz Caffier (r.).

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Außerdem fällt auf, dass Hessen etwas anders als das Saarland argumentiert. Hessen sagt in einem Zusatz zur Notiz lediglich, es werde sich dem Beschluss der Innenministerkonferenz, eine „Antragstellung für ein NPD-Verbotsverfahren vorzubereiten, nicht entgegenstellen“. Das Saarland hingegen erwähnt in seinem Zusatz den rechtsextremen Terror und stimmt dann „in Kenntnis der rechtlichen Risiken“ zu, um ein „deutliches Signal an alle verfassungsfeindlichen Kräfte zu senden“.

Ziehen Bundesregierung und Bundestag jetzt nach?

Das ist noch ungewiss. Vor allem, was den Bundestag betrifft. Geschlossen für einen neuen Verbotsantrag ist die SPD-Fraktion. Bei allen anderen gibt es Zweifler, selbst die Linken sind nicht einheitlich dafür. Die größte Ablehnung gibt es bei den Grünen und der FDP. In der Unions-Fraktion gibt es Befürworter und Gegner. Allerdings argumentieren selbst die Befürworter mit formalen Gründen: Sie sagen, es wäre ein schlechtes Signal, wenn ausgerechnet der Bundestag den Verbotsantrag nicht unterstützt. Das Kabinett wiederum wird dem Antrag wohl folgen, wenngleich auch dort die Skepsis groß ist. Friedrich und Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sind keine Freunde eines neuen Verbotsverfahrens. Auch Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) ist nicht begeistert. Aber die Entscheidung der Länder erhöht den Druck auf das Kabinett, so dass es vielleicht nicht aus Überzeugung, aber aus politischer Notwendigkeit mitzieht.

Wie sind die Erfolgsaussichten?

Ein Selbstläufer, so viel steht fest, wird es nicht. Es gibt viele Risiken. Zunächst ist die Frage, ob das vom Bundesamt für Verfassungsschutz und den Landesverfassungsschutzämtern gesammelte Material, das die Verfassungsfeindlichkeit der NPD belegen soll, wirklich frei von V-Mann-Informationen ist. An der unklaren Rolle von V-Leuten in Vorständen der Partei war das letzte Verfahren gescheitert. Bund und Länder verständigten sich bereits im Frühjahr darauf, alle V-Leute in der NPD-Führungsebene abzuschalten. Außerdem wollte Friedrich von allen Landesministern, die Material geliefert hatten, bescheinigt haben, dass diese Belege V-Mann-frei sind. Doch der Rücklauf war nicht sehr groß. Es bleiben also Zweifel. Sollte sich herausstellen, dass unter den insgesamt 2649 Fundstücken V-Mann-Informationen sind, wird es eng. Eine weitere Schwierigkeit wird sein, dem Gericht überzeugend darzulegen, dass das Material wirklich exemplarisch für die NPD steht. Am Ende ist auch unklar, welche Rolle der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) spielen wird, wo die NPD gegen ein Verbot klagen könnte.

Wie die Partei reagiert und was nach einem Verbot passiert

Wie reagiert die NPD?

Die Parteispitze gibt sich kämpferisch. Im „Pampower Hof“, dem Hotel eines NPD-Sympathisanten in der Nähe von Schwerin, machte der Vorsitzende Holger Apfel am Mittwoch bei einem Pressegespräch starke Sprüche. Er sei sicher, beim Bundesverfassungsgericht und beim EGMR würden sich die Gegner der NPD „eine blutige Nase holen“, dröhnte er vor einer roten Transparentwand mit der Aufschrift „NPD - Aus Liebe zur Heimat“. Die Bundesrepublik, behauptete Apfel, verkomme „zunehmend zum totalitären Staat“. Wortkarg wurde der Parteichef, der auch die Fraktion im sächsischen Landtag führt, jedoch bei der Frage, wie die NPD heute zum Thema Holocaust steht. Die Haltung vieler Mitglieder, den Völkermord an den Juden zu leugnen oder zumindest zu verharmlosen, dürfte in einem Verbotsverfahren von Bedeutung sein. Man habe jetzt nicht die Zeit, bei der Pressekonferenz „eine geschichtspolitische Debatte zu führen“, bügelte er die Frage ab.

Eine Absage erteilte Apfel allen Spekulationen, die NPD würde im Falle eines Verbots die im Mai vom Neonazi Christian Worch gegründete Partei „Die Rechte“ als Auffangbecken nutzen. „Diese Gruppierung kann man nicht ernst nehmen“, sagte er. Worch wäre die „schlechteste Alternative“. Worch, der sich gerne als Oberlehrer der Szene aufspielt, hat sich mit der NPD immer wieder angelegt. Doch jetzt, so Sicherheitsexperten, könnte seine Partei zu einer Art Rettungsanker für die Nationaldemokraten heranwachsen. „Die Rechte“ wäre nur schwer als Nachfolgeorganisation einer verbotenen NPD zu belangen. Worch hat seine Partei vor Beginn eines Verbotsverfahrens gegründet. Apfel musste zugeben, es habe schon „vereinzelte Abgänge“ gegeben. In Sicherheitskreisen heißt es, NPD-Leute seien vor allem in den hessischen Landesverband eingetreten. In NRW hat „Die Rechte“ führende Mitglieder von zwei verbotenen Neonazi-Kameradschaften aufgenommen.

Was würde bei einem Verbot mit der Partei passieren?

Außer einem Übertritt von NPD-Mitgliedern zur Partei „Die Rechte“ oder einer anderen, beispielsweise islamfeindlichen Organisation, halten Sicherheitsexperten eine Stärkung der gewaltbereiten Neonazi-Szene für wahrscheinlich. Sie ist mit derzeit knapp 10 000 Personen erheblich stärker als die NPD, die nur rund 6000 Mitglieder zählt. „Die meisten älteren NPD-Leute werden wohl aufgeben, aber die Jüngeren wechseln zu den Kameradschaften“, prophezeit ein Verfassungsschützer. Dieses Szenario bereitet den Experten Sorgen – im Milieu der militanten Neonazis entstand die Terrorgruppe NSU, deren Verbrechen ein Teil des gewaltorientierten Spektrums begrüßt. Offen bleibt, was bei einem Verbot mit den Parlamentsmandaten der NPD passiert. Sicherheitsexperten schließen nicht aus, dass der EGMR ein Verbot zwar gutheißen könnte, aber den Ex-NPD-Abgeordneten die Landtagssitze in Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern als „Unabhängige“ belassen würde. (mit dpa/Reuters)

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