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Politik: Eins zu 26 Millionen

Das Rentenloch ist größer als befürchtet, und Hans Eichel will kein Geld rausrücken. Die Wetten stehen gegen ihn

Von Antje Sirleschtov

Hans Eichel ahnt es. Genauso wie Ulla Schmidt. Und in den Fraktionsspitzen von SPD und Grünen verdichtet sich das Gefühl langsam zur Gewissheit. Wenn die Koalition nach langem Zittern in einer Woche die Bundestagsabstimmung der wichtigsten Gesetze der Agenda 2010 hinter sich hat, dann droht ihr eine noch viel größere Zerreißprobe: Das Stopfen eines Milliardenloches, wie es in der Geschichte der deutschen Rentenversicherung bisher nicht vorstellbar war. Auf rund sieben Milliarden Euro wird der Schätzerkreis den Fehlbetrag in den Rentenkassen 2004 taxieren, vermutet man im Finanz- wie im Sozialressort. Wobei es auf eine Milliarde mehr oder weniger überhaupt nicht ankommt. Denn spätestens seit Finanzminister Eichel (SPD) im Sommer darauf bestanden hat, dass der Bundesetat im kommenden Jahr um weitere zwei Milliarden Euro Rentenzuschuss entlastet werden muss, ist klar: Das Loch ist so groß, dass man es nicht allein damit füllen kann, die Erhöhung der Renten um ein Jahr zu verschieben. Und es wird wohl auch nicht genug sein, die Notkasse der Versicherungen, die Schwankungsreserve, zu kürzen. Denn all das summiert sich bestenfalls auf vier oder vielleicht fünf Milliarden Euro.

Sozialministerin Schmidt (SPD) wird deshalb das Kabinett am Sonntag in einer Woche und danach die Koalition vor weit schwierigere Entscheidungen stellen. Eine Anhebung der Beiträge auf 19,9 oder 20 Prozent etwa? Vor einem Jahr wäre an diesem Punkt beinahe die Koalition gescheitert. Höhere Krankenkassenbeiträge für die Rentner, und damit für all jene, die ohnehin schon zahlen müssen? Oder ein weiterer milliardenschwerer Griff in den bereits jetzt verfassungswidrigen Bundeshaushalt von Hans Eichel. Wie sich der Kanzler nach der Klausur am 19. Oktober entscheiden wird? Die Wetten in der Regierung stehen im Augenblick bei 1:26 Millionen. Ein Eichel gegen 26 Millionen Rentner und Sozialhilfeempfänger.

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