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Peer Steinbrück nach seiner Nominierung zum Kanzlerkandidaten durch den SPD-Vorstand.

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Update

Einstimmig: Steinbrück und die Pilotin ohne Ziel

Der SPD-Vorstand hat Peer Steinbrück einstimmig als Kanzlerkandidat nominiert. Der frisch Gekürte kritisierte Schwarz-Gelb als schlechteste Bundesregierung aller Zeiten, gab eine wertegeleitete Politik als Leitbild aus - und gewährte einen kleinen Einblick in sein Seelenleben.

Nur ein kleines Lächeln war es, mit dem Peer Steinbrück den Beobachtern einen Einblick in sein Seelenleben erlaubte. Seine Nominierung bedeute nicht, dass man nun in der heißen Wahlkampfphase sei, sagte er nach der einstimmigen Nominierung durch den SPD-Parteivorstand, er habe nicht vor, jetzt "die Ellenbogen auszufahren". Aber natürlich sei sein Zeitplan nun dichter als zu seiner Zeit als "einfacher Abgeordneter". Da war es, das Lächeln, verschmitzt, ein unterdrücktes Strahlen. Einfacher Abgeordneter ist er nun definitiv nicht mehr, und die Freude darüber ist Steinbrück anzusehen.

Der frühere Bundesfinanzminister wurde am Montag einstimmig vom Parteivorstand in Berlin als Kanzlerkandidat nominiert, wie Parteichef Sigmar Gabriel im Anschluss an die Sitzung mitteilte. Am 9. Dezember soll die endgültige Kür des 65-Jährigen auf einem Sonderparteitag in Hannover folgen.

Seinen Auftritt vor der Hauptstadtpresse nutzte Steinbrück - wie könnte es anders sein -, um die Arbeit der schwarz-gelben Regierungskoalition zu kritisieren. Es handle sich um die wohl schlechteste Bundesregierung seit Beginn der Bundesrepublik. Auch in der großen Koalition sei die SPD der bessere Teil gewesen. Steinbrück verglich Bundeskanzlerin Merkel mit einer Pilotin und sagte: "Sie kann das Flugzeug fliegen, ich fühle mich sicher, aber ich weiß nicht, wo ich lande." Welche Rolle Deutschland in Europa über die aktuelle Krise hinaus einnehmen wolle, bleibe vage, es fehle an wertegeleiteter Politik.

Werte - ein Begriff, den Steinbrück mehrfach bemühte. "In welcher Gesellschaft wollen wir leben?", fragte er und sagte, diese Leitfrage könne man herunterbrechen - etwa, wenn es um die gleiche Bezahlung von Männern und Frauen oder um die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich gehe. Steinbrück wandte sich auch an von der SPD Enttäuschte und äußerte die Hoffnung, Wähler zurückgewinnen zu können. Auch wolle man Schwarz-Gelb Wähler abspenstig machen. Stichwort auch hier: die "wertegebundene" Politik.

Wie harmonisch war es einst zwischen Peer und Angela - diese Zeiten sind wohl vorbei:

Die Kanzlerin sei sehr geschickt darin, Themen aufzugreifen um sozialdemokratisches Wählerpotenzial zu neutralisieren. Das aber werde man ihr nicht durchgehen lassen, sagte Steinbrück, und kritisierte beispielhaft den Vorstoß von Ministerin Ursula von der Leyen in Sachen Zuschussrente. Nicht die Altersarmut gehöre zuvörderst bekämpft, sondern die Erwerbsarmut, sagte Steinbrück, denn letztere bedinge die erstere. Im übrigen wolle er keinen langweiligen Wahlkampf führen. "Es darf auch Humor, und es darf ein bisschen Witz dabei entstehen", betonte er.

Unfreiwillig für Lacher im Publikum sorgte Steinbrück beim Versuch, die Euro-Rettungspolitik der Kanzlerin zu kritisieren. "Es werden nicht die Symptome bekämpft", sagte er mit ernstem Blick. Erst während seiner anschließenden rhetorischen Kunstpause bemerkte er, dass er sich versprochen hatte und korrigierte seine Aussage: "Es werden nur die Symptome bekämpft."

Ironisch kommentierte der Kandidat die von manchen geäußerte Kritik, er sei selbstbewusst jenseits der Grenze zur Arroganz. Nicht überheblich, aber selbstbewusst sei er, sagte Steinbrück, und fragte: "Können Sie sich jemanden vorstellen, der Kanzlerkandidat ist und nicht die Macht haben will?"

Von seiner "Beinfreiheit" macht Steinbrück schon Gebrauch

Peer Steinbrück bei der Sondersitzung des Parteivorstandes der SPD in Berlin.
Peer Steinbrück bei der Sondersitzung des Parteivorstandes der SPD in Berlin.

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Steinbrück kündigte an, sein Aufsichtsratsmandat beim Industriekonzern ThyssenKrupp niederzulegen, sein Aufsichtsratsmandat bei Borussia Dortmund aber zu behalten. Vom heutigen Tag an werde er allerdings keine honorarpflichtigen Vorträge mehr halten. Focus Online hatte am Wochenende auch berichtet, Steinbrück habe 2011 ein Interview zum Thema "Öffentlich Private Partnerschaften" gegeben, das im Geschäftsbericht des Baukonzerns Bilfinger Berger erschienen sei und für das ein Honorar von mindestens 7000 Euro erhalten habe.

Steinbrück stellte nun in seiner Stellungnahme darauf ab, dass es sich nicht um ein Interview im journalistischen Sinne gehandelt habe, sondern er für einen gewinnorientierten Konzern eine Leistung erbracht habe und sich habe vergüten lassen. Er habe stets alle Nebeneinkünfte "höchst penibel" nach den Transparenzregeln des Bundestages angegeben und versteuert. Außer den bezahlten Vorträgen - die es ab heute nicht mehr gebe - habe er zudem oft honorarfreie Vorträge gehalten, beispielsweise für gemeinnützige Vereine.

Bei der Antwort auf die Frage, welche Rolle Generalsekretärin Andrea Nahles im Wahlkampf spielen soll, deutete sich vielleicht schon die "Beinfreiheit" an, die sich der Kandidat Steinbrück ausbedungen hat. Parteichef Gabriel nämlich sagte, qua Satzung sei die Generalsekretärin für den Wahlkampf verantwortlich und weder er noch Steinbrück würden die Satzung ändern. Der Kandidat hingegen kündigte an, eine Person seines eigenen Vertrauens mit den "Ressourcen" des Willy-Brandt-Hauses vernetzen zu wollen.

Wie harmonisch war es einst zwischen Peer und Angela - diese Zeiten sind wohl vorbei:

Auch äußerte sich Steinbrück zur Rolle seiner Familie im Wahlkampf und kündigte an, deren Privatsphäre schützen zu wollen. Seine Familie werde nur "sehr dosiert" im Wahlkampf auftreten, und wenn, dann werde das vor allem seine Frau tun.

Seine Kritik am geplanten Steuerabkommen zwischen Deutschland und der Schweiz bekräftigte Steinbrück: Er könne dem Abkommen in der jetzigen Form nicht zustimmen. Zu der von ihm teils in deftigen Worten geäußerten Kritik an der Schweiz sagte Steinbrück: "Ich bin dankbar dafür, dass die Schweiz mich seit meinen wortkräftigen Bildern mehrmals hat einreisen lassen. Noch wichtiger ist gewesen, dass sie mich auch hat ausreisen lassen."

(mit dapdReuters/dpa)

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