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Einwanderer: Die Angst der Briten vor den Polen

2007 gab es in Großbritannien über 100 Angriffe auf die billigen und fleißigen Arbeitskräfte – weil ihre Konkurrenz gefürchtet wird.

Bei der Fußball-Europameisterschaft sind die Briten diesmal nicht dabei – und setzen mehr denn je auf die Polen. Das Boulevardblatt „Sun“, Großbritanniens auflagenstärkste Tageszeitung, startete am Samstag mit einer polnischsprachigen Ausgabe. Bis zu 75000 Stück sollen an den Spieltagen der polnischen Mannschaft und am jeweiligen Folgetag an den Kiosken im ganzen Königreich verkauft werden. Man wolle die polnische Nationalmannschaft begleiten, und den polnischen Lesern auf der Insel Interviews und Analysen bieten, bestätigte die „Sun“ dem Tagesspiegel. Auch auf das legendäre Nacktbild auf Seite drei jeder Ausgabe werde man nicht verzichten – die gezeigten Frauen sind in der Sonderedition Polinnen, versichert die „Sun“. Zunächst seien für sechs Wochen vier polnische Journalisten angestellt worden.

Fast eine Millionen Polen leben auf der britischen Insel, ein Viertel davon in der Hauptstadt London. Schon jetzt gibt es im Königreich mehrere polnischsprachige Radiosender und an Großstadtkiosken werden auch polnische Zeitungen verkauft. Viele Polen kamen, nachdem ihr Heimatland 2004 der Europäischen Union beigetreten war – und das Königsreich für die arbeitswilligen Einwanderer aus Osteuropa seine Grenzen öffnete.

Unter Briten wird dies mit gemischten Gefühlen gesehen. Polen gelten als fleißig und diszipliniert, was vor allem die britische Wirtschaft freut. Doch immer wieder gibt es gerade deshalb Übergriffe: Ende Mai sind in Newent, zwei Autostunden westlich von London, ein 19-jähriger Pole und sein Vater von einer Gruppe englischer Teenager angegriffen worden. In Mittelengland ist zuvor ein polnischer Taxifahrer von einem Kollegen geschlagen worden, weil dieser ihn bei der Arbeit für zu eifrig hielt. Mehr als 100 derartiger Angriffe habe es 2007 auf der Insel gegeben, heißt es von der Vereinigung der Polen in Großbritannien. Die Londoner Polizei hat allein in der Hauptstadt 50 Fälle gezählt. Es gebe außerdem eine hohe Dunkelziffer, viele Opfer zeigten die Taten nicht an, glaubt die polnische Gemeinde.

Vor allem schlecht entlohnte Briten in den strukturschwachen Gegenden im Norden des Landes fürchten sich vor polnischer Konkurrenz. Kritiker der „Sun“, die täglich mehr als drei Millionen Exemplare verkauft, warfen dem Blatt vor, es habe sich an nationalistischer Stimmungsmache beteiligt. Um Lohndumping durch polnische Erntehelfer, Kellner und Busfahrer zu verhindern, haben die britischen Gewerkschaften auf dem Höhepunkt der Einwanderungswelle vor zwei Jahren verstärkt um Mitglieder unter den Polen geworben. Der britische Gewerkschaftsbund TUC warnt derweil nicht nur vor Rassismus: Viele Polen könnten auch aus wirtschaftlichen Gründen in ihre Heimat zurückkehren, denn sie arbeiten in England oft für den Mindestlohn von umgerechnet rund acht Euro pro Stunde – und der hat an relativem Wert für die meisten von ihnen verloren: Allein 2007 schickten Polen laut britischen Medien knapp vier Milliarden Pfund – mehr als fünf Milliarden Euro – zu ihren Familien in die Heimat. Seit sich der Wechselkurs zwischen dem britischen Pfund und dem polnischen Zloty aber zugunsten der Währung aus Polen geändert hat, ist die Kaufkraft des auf der Insel verdienten Geldes in der Heimat um ein Drittel gesunken.

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