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Politik: Einwanderungskommission: Warum Schily Süssmuth zur Vorsitzenden des Gremiums gemacht hat (Kommentar)

Kommissionen haben in Deutschland keinen guten Leumund. Sie gelten als Verlegenheitslösung, mit der unentschlossene Entscheidungsträger Zeit gewinnen wollen.

Von Robert Birnbaum

Kommissionen haben in Deutschland keinen guten Leumund. Sie gelten als Verlegenheitslösung, mit der unentschlossene Entscheidungsträger Zeit gewinnen wollen. Sie stehen im Verdacht, Gefälligkeitsgutachten abzuliefern. Kurz: viel Gerede, noch mehr Papier - wenig Ertrag.

Die Weizsäcker-Kommission zur Wehrreform hat dieses Bild angekratzt, weil sie ein gutes und wenig gefälliges Gutachten geliefert hat. Das weckt Erwartungen an die nächste Arbeitsgruppe im Regierungsauftrag: Otto Schilys Einwanderungskommission. Das Gremium hat, bevor es nun eingesetzt worden ist, schon Staub aufgewirbelt. Dass es Streit zwischen den Grünen und dem Innenminister um die Besetzung gegeben hat, gehört in die Abteilung "rot-grüne Scharmützel". Dass Schily mit der Berufung von Rita Süssmuth in den Vorsitz die CDU ärgern wollte, ist ganz offensichtlich - und dennoch geglückt.

Viel interessanter ist aber, dass diese Personalentscheidung der Vermutung entgegensteht, der Minister wünsche ein Gefälligkeitsgutachten. Schily steht seit langem in dem - durch seine eigenen Äußerungen gut untermauerten - Verdacht, das Individualrecht auf Asyl durch eine institutionelle Garantie auf europäischer Ebene weiter aufweichen zu wollen. Eine Position, für die er jederzeit in der Union eine Mehrheit fände, nicht aber in seiner eigenen rot-grünen Koalition. Rita Süssmuth wiederum ist nicht bekannt als glühende Kämpferin gegen das Asylgrundrecht.

Schily setzt erkennbar darauf, dass die Expertenrunde ohnehin zu Ergebnissen kommen wird, die von seiner Linie nicht weit entfernt sein werden. Seit selbst die Union den eisernen Grundsatz "Deutschland ist kein Einwanderungsland" aufgegeben hat und dezidiert konservative Landesregierungen wie Bayern und Hessen mit dem Bundeskanzler darum wetteifern, ob ihre "Blue Card" die bessere "Green Card" ist, zweifelt niemand mehr daran, dass Deutschland jedenfalls bestimmte Einwanderer dringend nötig hat.

Zugleich herrscht Konsens zwischen christdemokratischen und sozialdemokratischen Bürgermeistern, dass mehr Fremde als bisher trotzdem nicht ins Land kommen sollen. Die Süssmuth-Kommission wird - anders als Weizsäcker mit seiner Bundeswehr-Sollstärke - als Ergebnis nicht eine Zahl abliefern oder eine Formel, nach der eine Zuwanderer-Quote berechnet werden könnte. Sie wird dennoch nicht umhin kommen, sich zum künftigen (Zahlen)-Verhältnis von ökonomisch erwünschten und jenen Zuwanderern zu äußern, die Deutschland nicht einfach abweisen kann oder will - also politischen Flüchtlingen und Aussiedlern.

Voraussehbar ist darum, dass Otto Schily dabei Argumente für sein Anliegen geliefert bekommt, das Asylverfahren zu europäisieren. Mit der Folge, dass aus dem ohnehin schon stark eingeschränkten Recht auf Asyl ein Recht auf die Möglichkeit von Asyl nach Maßgabe der Genfer Konvention wird. Schily könnte nichts Besseres passieren, als ein solches Ergebnis aus der Hand einer Rita Süssmuth entgegenzunehmen. Eine geschickte Personalie allemal. Rita Süssmuth ist die Kreide, aber Otto Schily ist der Wolf.

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