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© dpa

Elektronische Fußfessel: Die Wohnung als Gefängnis

Hessen hat bereits Erfahrungen damit, in Berlin wird heftig darüber diskutiert – und in Baden-Württemberg wird sie nun eingeführt: die elektronische Fußfessel im Strafvollzug.

In seiner letzten Sitzung vor der Sommerpause hat der Landtag in Stuttgart mit den Stimmen der Regierungsfraktionen von CDU und FDP ein Gesetz beschlossen, das einen vierjährigen Modellversuch ermöglicht. Versuchsobjekte sind bis zu 75 Gefangene, die sich in zwei Gruppen einteilen lassen: Solche, die eine Geldstrafe nicht bezahlen können und deshalb eigentlich ins Gefängnis müssten - für sie ist der elektronisch überwachte Hausarrest gedacht. Die zweite Gruppe besteht aus Gefangenen, die kurz vor der Haftentlassung stehen und sich außerhalb der Gefängnismauern an ein Leben in Freiheit gewöhnen sollen. Die Überwachung wird einem Privatunternehmen übertragen, die Ausschreibung läuft.

„Der elektronisch überwachte Hausarrest bietet eine sinnvolle Alternative zur Haft. Das Gefängnis ist nicht der richtige Ort für den, der eigentlich zu einer Geldstrafe verurteilt wurde und diese nicht bezahlen kann", sagt Justizminister Ulrich Goll (FDP). So könnten Mütter, die eigentlich für einige Wochen ins Gefängnis müssten, dank der Neuerung künftig die Strafe zu Hause absitzen und dabei weiter ihre Kinder betreuen. Das sei sinnvoll, „weil sonst die Kinder die Bestraften sind". Die Koalition erhofft sich in einigen Jahren, wenn der Modellversuch beendet und die angestrebte flächendeckende Einführung der Fußfessel umgesetzt sein wird, auch Einsparungen. „Wir können dann die Zahl der Haftplätze reduzieren und müssen keine weiteren Gefängnisse bauen", sagt der CDU-Abgeordnete Bernd Hitzler.

Doch zunächst muss sich der Modellversuch bewähren. Voraussetzung für die Teilnahme sind das Einverständnis des Gefangenen, eine feste Wohnung und eine Arbeits- oder Ausbildungsstelle oder ein ähnlich „geregelter Tagesablauf", der für die Kontrolleure nachvollziehbar ist. Die Teilnehmer bekommen ein nicht abnehmbares Band um den Knöchel, das über einen eingebauten elektronischen Minisender den Kontrolleuren den Aufenthaltsort meldet. Somit kann die Aufsicht ein Bewegungsprofil des Gefangenen erstellen. Zu Beginn des Hausarrests wird ein fester „Vollzugplan" mit Anwesenheitszeiten in der Wohnung, mit Arbeits- und eventueller Freizeit festgelegt. Von einem Absitzen der Strafe auf Balkon oder Terrasse könne daher keine Rede sein, sagt Goll. Bei Verstößen - etwa gegen die Arrestzeiten - kann verwarnt oder die Freizeit außerhalb der Wohnung gestrichen werden. In schweren Fällen muss der Gefangene doch in die Haftanstalt. Entscheidungen über Sanktionen dürfen nur Justizbeamte treffen. Die Kosten für den Versuch werden mit 85 000 Euro angegeben. An dem Projekt reiben sich zahlreiche Kritiker.

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) sieht darin ein weiteres Einfallstor zur Privatisierung des Strafvollzugs, nachdem Baden-Württemberg die Bewährungshilfe bereits privatisiert hat und in der neuen Justizvollzugsanstalt im badischen Offenburg Bereiche wie die Wäscherei an Private vergeben will. „Gegen den Versuch, die elektronische Fußfessel zur Verbüßung von Geldstrafen in bestimmten Fällen zu verhängen, ist nichts einzuwenden. Keinesfalls aber darf eine solche freiheitsberaubende Maßnahme an private Firmen vergeben werden", sagt GdP-Bundeschef Konrad Freiberg. Auch Klaus Pflieger, Generalstaatsanwalt in Stuttgart und damit oberster Ankläger im württembergischen Landesteil, ist gegen die Fußfessel: „Diese Art der Bestrafung kann Schaden anrichten. Das ist nackter Strafvollzug und hat nichts mit Sozialarbeit zu tun." Pflieger, der der Bewährungs- und Straffälligenhilfe Württemberg vorsitzt, fürchtet, dass die Fußfessel den Erfolg des Projekts „Schwitzen statt Sitzen" gefährdet. Allein sein Verband hat im vergangenen Jahr 6600 Verurteilte, die ihre Geldstrafe nicht bezahlen konnten, in gemeinnützige Arbeit vermittelt und so deren Inhaftierung verhindert.

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