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Elfenbeinküste: Im Kampf ums Morgen

Das Finale eines Bürgerkriegs: Der abgewählte Präsident der Elbenbeinküste will nicht weichen. Wie ist die Lage nach der Kapitulation seiner Truppen?

Laurent Gbabgo hat einen langen Atem. „J`y suis, j`y reste“ – „Hier bin ich und hier bleibe ich!“ hatte der abgewählte Präsident der Elfenbeinküste zuletzt stets erwidert, wenn immer neue Unterhändler ihn zum Rückzug von der ivorischen Staatsspitze aufforderten. Und auch jetzt, nach der Kapitulation seiner Truppen, darunter der besonders loyalen Präsidentengarde, gestalten sich die Verhandlungen um seinen Abgang extrem zäh. Dabei befindet sich der 73-Jährige in einer denkbar schlechten Lage: Mit einer Handvoll Getreuer sitzt er in einem unterirdischen Bunker unter seiner Residenz – umzingelt von den Truppen seines Erzfeindes Alasanne Ouattara, dem international anerkannten Präsidenten des Landes.

Warum will Gbagbo nicht weichen?

Gbagbo sieht sich noch immer als legitimer Präsident des Landes und hinter dem Druck auf ihn eine Verschwörung des Auslandes, allen voran der Franzosen, mit denen er sich vor Jahren überwarf. Seine Wahlniederlage vom November lehnt er unter Verweis auf mutmaßlich massive Wahlfälschungen seines Gegners Ouattaras im Norden des Landes strikt ab. Diesmal wird er mit seiner Verweigerungshaltung aber nicht durchkommen: Die UN und Frankreich verlangen seinen schriftlichen Verzicht auf das Präsidentenamt und die Anerkennung Ouattaras als rechtmäßigen Staatschef. Beides wäre für Gbagbo ein demütigendes Eingeständnis der eigenen Niederlage. Sie sind aber auch Voraussetzung dafür, dass die Elfenbeinküste wieder zu einem Mindestmaß an Stabilität findet.

Wie wurde Gbagbo vom Widerstandskämpfer zum Diktator?

In den 70er Jahren wurde Gbagbo von dem ivorischen Gründervater und Alleinherrscher Felix Houphouet-Boigny ins Gefängnis geworfen und ging später nach Frankreich ins Exil. Dennoch gab er nie auf, sondern feierte nach seiner Rückkehr und dem Tod des übermächtigen Gegners zur Jahrtausendwende ein spektakuläres Comeback. Zu Hilfe kam ihm das Konzept der „ivorite“, nach dem nur „echte Ivorer“ alle Bürgerrechte im Land ausüben können. Gleichzeitig wurden Millionen Menschen in der Elfenbeinküste ausgegrenzt, deren Vorfahren in den Jahren nach der Unabhängigkeit des Landes im Jahre 1960 aus den umliegenden Sahelstaaten eingewandert waren, um auf den Kakaoplantagen Geld zu verdienen.

Das prominenteste Opfer der Ivorite-Kampagne war Ouattara, sein heutiger Gegenspieler: Er durfte damals nicht kandidieren, weil sein Vater aus dem benachbarten Burkina Faso stammt – und wurde genau dadurch erst zur Galionsfigur des muslimischen Nordens und von Millionen von Einwanderern, die sich bis heute als Bürger zweiter Klasse fühlen.

Gleichwohl wird heute oft vergessen, dass Gbagbo, der frühere Geschichtsprofessor, das Land nach seiner Machtübernahme zur Jahrtausendwende zunächst zum Besseren veränderte. So gab es zum Beispiel keinen Personenkult mehr und auch sozial gab es Verbesserungen. Doch dann kam alles ganz anders: 2002 versuchten sich Rebellen aus dem Norden an die Macht zu putschen und wurden nur mit Mühe an der Übernahme Abidjans und des Südens gehindert. Es gibt klare Hinweise, dass Gbagbos Erzrivale Ouattara hinter diesem Coup stand, auch wenn dieser das dementiert. Seitdem ist das Land zweigeteilt. Zermürbt von dem Bürgerkrieg zwischen seinen Soldaten und den Rebellen sowie einem schweren Zerwürfnis mit Frankreich, von dem er sich im Kampf gegen die Revolte des Nordens mehr Hilfe erwartet hatte, ließ Gbagbo die Präsidentschaftswahl sechsmal verschieben und regierte dabei ab 2005 ohne Mandat. Erst im November letzten Jahres fühlte er sich sicher genug – zu Unrecht, wie seine knappe Niederlage zeigt.

Wie geht es nun im Land weiter?

Sicher ist, dass es sich in der Elfenbeinküste nicht um einen Zweikampf zwischen einem Bösewicht und einer Lichtgestalt handelt, so sehr der Konflikt oft auch so dargestellt wird. Dazu sind schon die Umstände viel zu verworren, unter denen Ouattara seinen enormen Reichtum erwarb. Angeblich soll er sich bereits vor 20 Jahren als Premierminister massiv bereichert haben. Anders als Gbagbo ist Ouattara ein gewiefter Stratege, der die Weltmeinung hinter sich hat. Ein Versöhner scheint der Mann aus dem Norden jedenfalls nicht zu sein. Umso größer sind im Süden die Ängste, Ouattara könne nach seinem Amtsantritt an ihnen Rache nehmen. Seine vermeintlich saubere Weste hat aber auch durch ein Massaker Flecken erhalten, das Ouattaras Truppen im Verlauf ihrer jüngsten Offensive begangen haben sollen. Womöglich handelt es sich bei den 1000 Toten nur um die Spitze des Eisberges. Ouattaras Hauptaufgabe wird darin bestehen, die tief verfeindeten Armeen zu vereinen, das vom Bürgerkrieg gespaltene Land auszusöhnen und jene 46 Prozent der Bevölkerung einzubinden, die bei den Wahlen gegen ihn gestimmt haben. Es ist eine herkulische Aufgabe. Und all die verlorenen Jahre wiegen schwer: Ouattara übernimmt ein Land, in dem sich die Zahl derjenigen, die unter der Armutsgrenze leben, von 18 (1998) auf über 50 Prozent erhöht hat. Und dessen Wirtschaftskraft seit dem Exodus der Franzosen 2004 um mehr als die Hälfte geschrumpft ist.

Welche Rolle spielt Frankreich in dem Konflikt?

Seit Montagnachmittag werden die Truppen des gewählten Präsidenten Ouattara von UN-Einheiten und vor allem von französischen Streitkräften unterstützt, die vorrangig zum Schutz der Zivilbevölkerung eingreifen. Dies hatte zu einer dramatischen Wende der Lage geführt: Es waren vor allem die Luftangriffe der französischen Kampfhubschrauber, die Gbagbos Waffenbrüdern die Aussichtslosigkeit der Lage verdeutlichten. In Elfenbeinküste ist die Rolle Frankreichs wegen dessen Rolle als ehemaliger Kolonialmacht aber besonders heikel. Deshalb hat der französische Präsident Sarkozy auch darauf verwiesen, dass es sich bei der Intervention diesmal nicht um einen französischen Alleingang handle, sondern dass das Eingreifen auf Wunsch der UN erfolge und ausschließlich dem Schutz der Zivilbevölkerung diene. Auch gibt es Gerüchte, dass französische Offiziere Ouattaras Truppen auf ihre jüngste Offensive nach Abidjan vorbereitet haben. Sarkozy selbst pflegt enge Kontakte zu Ouattara: Als damaliger Bürgermeister von Neuilly vermählte er Ouattara standesamtlich mit dessen Frau Dominique. Auf ihrer Hochzeitsfeier war der französische Präsident Ehrengast.

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