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Opfer des Krieges. Ein zwölfjähriges Flüchtlingskind trägt in einem Lager an der Grenze zwischen der Elfenbeinküste und Liberia einen Eimer mit Wasser.

© dpa

Elfenbeinküste: Ouattara bittet EU um Hilfe

Der gewählte Präsident der Elfenbeinküste, Alassane Ouattara, hat die EU um wirtschaftliche Hilfe gebeten. Die Europäer sollen Sanktionen wieder aufheben und Aufnahme der Kakaoexporte erlauben.

Nachdem seine Truppen die Elfenbeinküste inzwischen fast vollständig kontrollieren, hat der designierte neue Präsident des Landes, Alassane Ouattara, nun die Europäische Union (EU) um Hilfe gebeten. Um die öffentliche Sicherheit zu garantieren, aber auch die kollabierte Wirtschaft wieder in Gang zu bringen, sollen die Europäer nun jene Sanktionen gegen das Land aufheben, die sie zuvor auf ausdrücklichen Wunsch Ouattaras gegen die bisherige Führung um Laurent Gbagbo verhängt hatten. Dazu dürfte vor allem eine Wiederaufnahme der Kakaoexporte zählen.

Beim Aufflammen der Krise im November waren die Kakaopreise noch kräftig angezogen und bis Anfang März mit 3720 Dollar je Tonne auf den höchsten Stand seit 32 Jahren geschnellt. Mit dem Vorrücken der Rebellen auf Abidjan gaben sie dann jedoch bereits stark nach: Offenbar rechnen Investoren fest damit, dass schon bald große Mengen an eingelagertem Kakao aus der Elfenbeinküste auf den Weltmarkt gelangen und diesen dann förmlich überschwemmen könnten.

Wer in diesen Tagen auf Abidjan schaut, sieht in das Antlitz einer hässlichen Stadt – und eines tief zerrütteten Landes. Die einst so lebensfrohe, tolerante Wirtschaftsmetropole der Elfenbeinküste ist in ethnische Blöcke geteilt, in denen die verschiedenen Volksgruppen des Landes nun strikt getrennt voneinander leben – und sich belauern. Mehr als eine Million Menschen sind vor dem erbitterten Machtkampf zwischen Ouattara und Gbagbo geflohen, jenem Mann, der das Land zehn Jahre lang regiert hat – und große Schuld an seinem Niedergang trägt. Im November hatte Gbagbo zwar die entscheidende Stichwahl um die Präsidentschaft verloren, doch weigert er sich seitdem beharrlich, seinen Posten zu räumen. Nun schlägt er in einem Bunker unter seinem Wohnsitz seine wohl letzte Schlacht – und bestätigt dabei all die hässlichen Klischees vom afrikanischen „big man“, der nicht von der Macht lassen kann und darüber sein Land ruiniert.

Die jüngste Entwicklung scheint jenen Skeptikern recht zu geben, die seit langem darauf hinweisen, dass eine liberale Demokratie westlichen Zuschnitts nicht einfach auf Afrika übertragbar und gegenwärtig auch untauglich ist, um seine ethnisch oft tief zerklüfteten Krisenländer zu befrieden. Pluralismus und Einparteienstaaten sind eben schwer vereinbar. Auch wenn es, wie in Ghana, einige wenige Ausnahmen gibt: Fast immer reißt in Afrika der Gewinner einer Wahl alle Macht an sich – und erstickt anschließend die als bedrohlich empfundene Opposition. Simbabwe, Kenia, der Kongo oder Angola sind nur einige Beispiele dafür, dass die vom Westen in Afrika eingeforderten Wahlen dort nicht automatisch eine Demokratie schaffen, sondern die Gesellschaften oft nur weiter destabilisieren.

Nun droht auch die Elfenbeinküste nach den ersten freien Wahlen in über zehn Jahren in einen womöglich langen Bürgerkrieg abzurutschen. Unabhängig davon, ob Gbagbo freiwillig aufgibt oder getötet wird – die vom Urnengang im November neu aufgerissenen Narben haben die Spaltung der Elfenbeinküste nur noch vertieft. Verschärft wird die ethnisch-religiöse Kluft dort noch durch starke soziale Unterschiede zwischen den Einheimischen und Millionen von Zugewanderten aus den nördlichen Sahelstaaten, die sich seit langem als Bürger zweiter Klasse fühlen.

Sicher ist, dass Ouattara bei einem möglichen Amtsantritt einer mächtigen oppositionellen Front im Süden gegenübersteht, die ihm das Regieren fast unmöglich machen dürfte. Schlimmer noch: Seine Legitimation hat durch das Eingreifen der UN und der Franzosen zu seinen Gunsten schwer gelitten. Im Süden des Landes dürften die Menschen dies als weiteren Beweis dafür empfinden, dass Gbagbo und ihr Land tatsächlich das Opfer einer internationalen Verschwörung sind. Viele haben erlebt, welchen Druck das Ausland auf Gbagbo ausgeübt hat, während man bei den Rebellen fast alles durchgehen ließ – von der fehlenden Entwaffnung über die angeblich massive Manipulation der Wahlen im Norden bis hin zu den jüngsten Massakern. So erklärte der Sprecher des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte, Rupert Colville, am Freitag in Genf , dass Menschenrechtsexperten in den vergangenen Tagen an mehreren Orten im Westen des Landes mehr als 100 Leichen entdeckt hätten. „Alle Vorkommnisse scheinen zumindest teilweise etwas mit ethnischen Motiven zu tun zu haben“, sagte er. Auch gebe es Berichte von weiteren Massakern als Racheakte. mit dpa

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