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Politik: „Empörung zeigen reicht nicht“

Der Vorsitzende des Jüdischen Weltkongresses über Irans Präsidenten

Der iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad sagte vor zwei Tagen, er könne die Behauptung nicht akzeptieren, dass Adolf Hitler Millionen Juden ermordet hat. Außerdem schlug er vor, den Staat Israel nach Europa zu verlegen.

Ich bin schockiert, dass der gewählte Präsident eines Landes solche widerlichen Dinge sagt. Ahmadinedschad meint nicht nur, was er da sagt, er will auch ganz bewusst Emotionen schüren in der islamischen Welt gegen Israel, gegen die Juden, gegen die ganze zivilisierte Welt. Die gemäßigten arabischen Führer, besonders die Organisation der Islamischen Konferenz, die gerade in Mekka tagt, sollten schleunigst Ahmadinedschads Aussagen verurteilen. Das ist das Mindeste, was man erwarten kann.

Wie sollte Europa reagieren?

Die EU sollte Iran gegenüber eine härtere Gangart anschlagen. Der iranische Präsident hat erneut eine rote Linie überquert. Er will Israel von der Landkarte ausradieren, er leugnet die Schoa, er sagt Dinge, die sich sonst nur Terroristen öffentlich zu sagen trauen. Es macht mir Angst, dass die Regierung eines solchen Mannes bald im Besitz von Atomwaffen sein könnte. Die europäischen Regierungen müssen diesen Präsidenten isolieren, wo immer es geht. Appeasement-Politik wird da nicht helfen.

Sollte man die Entwicklungshilfe für Iran kürzen?

Ich bin nicht dafür, Hilfslieferungen einzufrieren, weil die anständigen und einfachen Leute oft am meisten darunter leiden. Es ist erst zwei Jahre her, dass ein Erdbeben den Südosten Irans verwüstet hat. Damals brauchte Hunderttausende dringend ausländische Hilfe. Andererseits muss den Iranern klar gemacht werden, dass das, was ihr Präsident da sagt, absolut nicht hinnehmbar ist. Ich will, dass sich Führer von Ländern wie Ägypten oder Syrien öffentlich und eindeutig davon distanzieren. Sie können jetzt zeigen, ob sie wirklich bereit sind, politische Verantwortung zu übernehmen.

Was erwarten Sie von Deutschland?

Deutschland sollte Ahmadinedschads Verhalten nicht tolerieren. Empörung zu zeigen, reicht aber nicht. Bundeskanzlerin Merkel und Außenminister Steinmeier wissen, wie man mit diesem Problem umzugehen hat. Ich denke, dass beide das auch deutlich gemacht haben.

Könnte Deutschland eine besondere Rolle spielen in der Vermittlung zwischen Israel und seinen Nachbarn und zwischen Juden und Muslimen im Allgemeinen?

Deutschland kommt eine Schlüsselrolle zu. Die Aussagen des iranischen Präsidenten zeigen, dass ein Dialog mit den Muslimen notwendig ist, von denen die Mehrheit gemäßigt und vernünftig ist. In den kommenden Monaten wird der Jüdische Weltkongress hier die Initiative ergreifen. Wir haben die deutsche Regierung gebeten, unsere Bemühungen zu unterstützen, führende Vertreter verschiedener Religionen zusammenzubringen und gemeinsame Maßnahmen zu verabreden. Wir brauchen den Dialog, damit Geisteskranke wie Ahmadinedschad isoliert werden können und er und seine Gefolgsleute eine kleine, machtlose Minderheit in der arabischen Welt werden.

Das Gespräch führte Claudia Keller.

Israel Singer (63) ist der Vorsitzende des Jüdischen Weltkongresses und Präsident der Jewish Claims Conference. In den vergangenen Tagen führte er Gespräche mit der Bundesregierung.

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