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Politik: Ende einer Höllenfahrt

Hartnäckigkeit und Geduld führten zur Befreiung Ingrid Betancourts – und eine Finte der Sicherheitskräfte

Nach sechs Jahren Geiselhaft ist die kolumbianische Politikerin Ingrid Betancourt wieder frei. Die Sicherheitskräfte hätten das Generalsekretariat der Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens (Farc) infiltriert und so erreicht, dass die auf mehrere Gruppen verteilten Geiseln im Urwald Südkolumbiens zusammengelegt wurden, um sie direkt dem neuen Anführer Alfonso Cano zu überstellen, sagte Kolumbiens Verteidigungsminister Juan Manuel Santos am Mittwoch. Nach der Zusammenführung seien Hubschrauber einer fiktiven Organisation in dem Camp gelandet, in denen sich in Wirklichkeit schwerbewaffnete Sicherheitkräfte befanden. Die Rebellen hätten sich gestellt und seien festgenommen worden, sagte ein Sprecher von Präsident Alvaro Uribe. Washington sei von der Aktion vorab informiert worden und habe zugestimmt, teilte das US-Außenministerium mit. Weitere Einzelheiten – etwa über den Gesundheitszustand der Befreiten – wurden zunächst nicht bekannt.

Betancourts Ehemann Juan Carlos Lecompte, der all die Jahre für die Freilassung seiner Frau gekämpft hatte, zeigte sich glücklich und tief bewegt. Der Ex-Senator Luis Eladio Perez, der nach siebenjähriger Geiselhaft vor kurzem freigelassen wurde, sprach von einem schweren Schlag gegen die Farc und befürchtete Repressalien von Seiten der Guerilla, die noch immer hunderte Menschen in ihrer Gewalt hat. Santos rief die Farc zum Niederlegen der Waffen und zur Freilassung der restlichen Geiseln auf.

Betancourt, die zugleich die französische Staatsangehörigkeit hat, war vor sechs Jahren während des Wahlkampfes entführt worden, in dem sie Präsidentschaftskandidatin der Grünen Partei war. Sie hatte sich im Februar 2002 zusammen mit ihrer Vizekandidatin Clara Rojas nach dem Scheitern der Friedensgespräche zwischen den Farc und der Regierung von Präsident Andres Pastrana auf den Weg in die für die Gespräche entmilitarisierte Zone im Süden des Landes gemacht und war unterwegs verschleppt worden. „Nie hätten wir gedacht, dass die Farc sie entführen würden. Schließlich war sie oft bei den Rebellen und fordert wie sie Reformen“, sagte Lecompte.

Die schlanke, blonde Politikerin, die zuvor schon Abgeordnete und Senatorin gewesen war, hatte sich durch ihre offene, erfrischende Art und ihre Anklagen von Mauscheleien der traditionellen Politiker einen Namen gemacht. Mit ihrer unermüdlichen Kritik an Korruption, Stimmenkauf und Vetternwirtschaft machte sie sich in der kolumbianischen Elite viele Feinde. Schon vor ihrer Entführung hatte sie Morddrohungen erhalten und ihre beiden Kinder Melanie und Lorenzo außer Landes bringen müssen. Sie leben bei ihrem Vater und Betancourts erstem Mann in Frankreich.

Für die Farc war die zweifache Mutter aus der kolumbianischen Oberschicht schlicht ein Faustpfand, mit dem sie gefangene Gesinnungsgenossen freipressen wollten. Doch der neue Präsident Alvaro Uribe, der selbst seinen Vater bei einem Entführungsversuch durch die Farc verloren hatte, zeigte sich unerbittlich und ließ sich nie auf die von der Guerilla geforderten Konditionen ein. Er setzte auf militärische Stärke und wurde deshalb oft von den Angehörigen als hartherzig kritisiert. Einige seiner militärischen Befreiungsaktionen scheiterten und kosteten den Geiseln das Leben.

Betancourts Mann und ihre Mutter Yolanda Pulecio, einst Schönheitskönigin und Ex-Senatorin, setzten alle Hebel für die Entführten in Bewegung. Auf offene Ohren stießen sie in Frankreich, wo Betancourt aufgewachsen war und studiert hatte. Paris übte diplomatischen Druck auf Bogota aus und konnte mehrfach Kontakt zu den Farc herstellen, doch die Versuche blieben erfolglos. Zuletzt versuchte sich der linke venezolanische Präsident Hugo Chavez als Vermittler und erreichte die Freilassung von Rojas und vier weiteren Politikern, nicht aber von Betancourt. Mehrfach gelangten Lebensnachweise Betancourts an die Öffentlichkeit. Der letzte stammt von Anfang des Jahres und zeigte die 46-Jährige abgemagert, angekettet inmitten des Urwalds.

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