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Asse

© dpa

Endlager Asse: Regierung streitet über Atomlager

Das Bundeskabinett verschiebt die Entscheidung über das umstrittene Forschungsendlager Asse erneut und ruft damit viel Ärger hervor. Ein Fortschrittsbericht zur Nachhaltigkeit des ehemaligen Salzbergwerks wurde dagegen gebilligt - es könnte schon nach 2014 in sich zusammen fallen.

Berlin - Die Bundesregierung hat noch immer keine Entscheidung zur Übertragung des umstrittenen Forschungsendlagers Asse auf das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) getroffen. Das Kabinett soll nun nach Angaben von Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD) „im November“ entscheiden. Eine Entscheidung, die die Grünen-Fraktionsvorsitzende Renate Künast „grob fahrlässig“ findet. Schließlich haben sich Gabriel und Bildungsministerin Annette Schavan (CDU) schon Anfang September mit dem niedersächsischen Umweltministerium darauf geeignet, die Verantwortung für das Atomendlager von der Helmholtz-Gesellschaft auf das BfS zu übertragen.

Gabriel berichtete jedoch, dass die Stabilität des ehemaligen Salzbergwerks Asse auch über das Jahr 2014 hinaus gewährleistet werden könnte, wenn Hohlräume mit Beton ausgegossen würden. Um das bisher geplante Schließungskonzept – Flutung der Anlage mit einer Salzlösung (Magnesium-Chlorid) – überdenken zu können, muss es jedenfalls länger offengehalten werden. Doch bisher gingen die Betreiber davon aus, dass es schon nach 2014 in sich zusammenbrechen könnte. Gabriel legte zudem ein zweites Gutachten vor, das eine Rückholung zumindest der 1300 Atommüllfässer mit mittelradioaktiven Abfällen in einem Zeitraum von fünf Jahren für möglich hält. Das würde 150 Millionen Euro kosten. Gabriel will das aber nur dann umsetzen, „wenn es einen Sicherheitsgewinn bringt“. Um das einschätzen zu können, müssten jedoch weitere Gutachten erstellt werden.

Die Kabinettsentscheidung zu Asse ist am Mittwoch verschoben worden, weil das Wirtschaftsministerium darauf beharrt, die DBE, eine Firma, die als Betreibergesellschaft für Endlager gegründet wurde und inzwischen zu 75 Prozent den Energiekonzernen und zu 25 Prozent dem Bund gehört, als Betreiberfirma in Asse einzusetzen. Das will Gabriel aber nicht akzeptieren, weil das ihm zugeordnete BfS die Arbeiten lieber ordentlich ausschreiben will. Die Uneinigkeit in der Atomdebatte zwischen den Koalitionspartnern SPD und CDU/CSU wird nun offenbar wieder auf allen möglichen Feldern mehr oder minder offen ausgetragen. Mit der Folge, dass in Sachen Atomendlagerung in dieser Legislaturperiode gar nichts mehr entschieden werden wird. Daran wird auch das Symposium nichts ändern, das auf Gabriels Einladung in den kommenden drei Tagen über Endlagerfragen debattieren soll. Gabriel kritisierte am Mittwoch: „Die Entscheidungsblockade führt dazu, dass unsere Nachkommen für die Hinterlassenschaft der Atomstromproduktion aufkommen müssen.“

Das Kabinett befasste sich am Mittwoch dennoch mit Generationengerechtigkeit. Es verabschiedete den zweiten Fortschrittsbericht zur Nachhaltigkeitsstrategie der Regierung, die ihre Vorgängerregierung 2002 vorgelegt hatte. Anhand von 21 Indikatoren lässt sich die Regierung seither in ihrer langfristigen politischen Strategie messen – mit gemischtem Ergebnis. Mit Blick auf die Finanzmarktkrise sagte der Chef des Bundeskanzleramts Thomas de Maizière am Mittwoch bei der Vorstellung des Berichts: „Man darf die Höhen- und Wellentäler nicht mitsurfen.“ Er betonte, dass die Nachhaltigkeitsstrategie künftig zur „Richtschnur“ der Regierungsentscheidungen werden solle. Bisher seien Entscheidungen in diesem Sinne „eher ein Nebenprodukt dessen gewesen, was wir für richtig gehalten haben“, gab er zu. In Zukunft soll es aber nun bei jedem Gesetz eine „Nachhaltigkeitsprüfung“ geben. Was das bedeutet, hat Bundeskanzlerin Angela Merkel so formuliert: „Fortschritt muss der Bedingung genügen, dass die Natur und unsere ökologischen Systeme die Veränderungen auch dauerhaft tragen können.“ Damit, lobt der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU), verabschiede sich die Regierung von einem Verständnis von „Nachhaltigkeit als Wohlfühlthema“. Auch wenn SRU-Mitglied Martin Jänicke in der Strategie die „wirtschaftliche Erfolgsstory unserer Klimapolitik“ noch vergeblich sucht. In Deutschland würden inzwischen 6,5 Prozent der Wirtschaftsleistung durch Klimaschutz erbracht, dagegen bringe es die Autoindustrie „nur“ auf etwa vier Prozent am Bruttoinlandsprodukt, sagte er dem Tagesspiegel.

Allerdings sieht die Erfolgsbilanz der Regierung gerade in der Klimapolitik mit am besten aus. Die 2002 gesetzten Ziele sind teilweise sogar schon übertroffen worden, beispielsweise beim Ausbau der erneuerbaren Energien. Dagegen gebe Deutschland beim Flächenverbrauch „ein schlechtes Bild ab“, monierte de Maizière. Bis 2020 soll der tägliche Flächenverbrauch auf 30 Hektar sinken, 2006 lag er bei 106 Hektar, „und 2007 ist er sogar noch mal gestiegen“, bedauerte er. Auch das Ziel, dass der Gehaltsabstand zwischen Frauen und Männern bis 2010 von 15 auf zehn Prozent sinkt, wird weit verfehlt. „Seit 1995 hat sich da nichts mehr bewegt“, sagt de Maizière. Das Ziel, bis 2010 den Anteil des ökologischen Landbaus auf 20 Prozent zu erhöhen, hat die Regierung inzwischen aufgegeben. Ein Jahr wird nun nicht mehr genannt.

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