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Endlagersuche: Streit um den Standort Gorleben

Soll Gorleben als Standort in Betracht gezogen werden oder nicht? Darüber sind sich die Parteien uneins. Der Streit gefährdet mittlerweile sogar das dazugehörige Endlagersuchgesetz.

In der Haut von Gerald Hennenhöfer möchte man gerade nicht stecken. Der Leiter der Abteilung für Reaktorsicherheit im Bundesumweltministerium hat die knifflige Aufgabe, die teils sehr unterschiedlichen Vorstellungen bei der neuen Endlagersuche für Atommüll irgendwie zusammenzubringen. Dabei sind sich schon zum Beispiel die Grünen untereinander nicht einig, ob der seit 35 Jahren als einziger Standort im Fokus stehende Salzstock Gorleben zunächst mit im Rennen bleiben soll. Die Differenzen werden zunehmend zur Hypothek bei dem geplanten Neustart. Bis zum Sommer soll ein Endlagersuchgesetz her. In Hennenhöfers Abteilung werden die ganzen Änderungsvorschläge zusammengeführt. In den zweiten Entwurf für ein Suchgesetz sind dabei auch auf Wunsch von SPD und Grünen stärkere Beteiligungsmöglichkeiten für die Bürger aufgenommen worden. Diese sollen nicht nur informiert werden, sondern durch die Übermittlung von Anregungen „frühzeitig und aktiv“ an dem Auswahlprozess teilnehmen können. Um die Stimmung nicht anzuheizen, ist Gorleben im Entwurf weitgehend ausgeklammert, gehört also zur schwierigen Verhandlungsmasse zwischen Bund und Ländern. Am Donnerstag hatten Atomgegner parallel zum Bund-Länder-Treffen zu einer Demonstration vor dem Bundesumweltministerium aufgerufen. Rund 100 Menschen nahmen an den Protesten teil.

Unter dem Motto „Gorleben soll leben“ fordern sie ein sofortiges Aus des Standorts. Doch diese Variante statt eines Vergleichs mit mehreren Alternativoptionen wäre in Reihen von Union und FDP kaum mehrheitsfähig. Insgesamt ist daher noch nicht sicher, ob der von Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) angestrebte Konsens am Ende erzielt werden kann - und alle den Neustart unterstützen.

Vielfältige Kampflinien um Gorleben

Ein Überblick über einige „Kampflinien“: Während Niedersachsens Grüne das sofortige Aus fordern, will die Bundestagsfraktion einen „rechtssicheren Ausschluss“, also dass Gorleben etwa bei einem Vergleich mit anderen Standorten anhand klar definierter Kriterien herausfällt. Die SPD im Bundestag versucht die Grünen-Fraktion links zu überholen, sie fordert ein Aus für den „verbrannten“ Salzstock. Ein Gutachten im Auftrag von Greenpeace kommt zu dem Schluss, dass Gorleben auch jetzt schon rechtssicher ausgeschlossen werden kann.

Fakt ist: Bisher gibt es keinen definitiven Beweis, dass Gorleben ungeeignet ist. Knapp 1,6 Milliarden Euro wurden bisher für die Eignungsprüfung des Salzstocks an der früheren DDR-Grenze ausgegeben - den Großteil trägt die Atomwirtschaft, bis 2010 wurden 142 Millionen Euro an Steuergeldern investiert. Kritiker sagen, das Deckgebirge über dem Salzstock sei nicht stark genug, zudem könnten Gas- und Kohlenstoffvorkommen in Kombination mit hoch radioaktivem Atommüll eine Gefahr darstellen. Aber anders als bei der maroden Asse, dem Lager für schwach- und mittelradioaktiven Müll und früheren Bergwerk, handelt es sich bei Gorleben um einen jungfräulichen Salzstock.

Die aus dem Wendland stammende Fraktionschefin der Grünen im Europaparlament, Rebecca Harms, kritisiert, dass Röttgens bisherige Vorschläge scheinbar das Ziel hätten, „Gorleben möglichst lange aus Vergleichen mit anderen Standorten herauszuhalten“. Dadurch könnte die Gefahr entstehen, dass angesichts von Problemen mit anderen Standorten am Ende Gorleben doch durchgesetzt wird, fürchten viele. Ohne einen Ausschluss werden die Umweltverbände, die Röttgen gerne dabei hätte, kaum mitmachen. Thorben Becker, Atom-Experte des BUND, betont: „Das Festhalten an dem Salzstock heißt, dass die Suche im Zweifel nicht nach wissenschaftlichen Kriterien abläuft.“ Wolfgang Ehmke, Sprecher der seit Jahrzehnten gegen Gorleben kämpfenden Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg, betont: Röttgen wolle den Standortvergleich nur, „um am Ende Gorleben in einem atomrechtlichen Genehmigungsverfahren nicht scheitern zu lassen“. Also um bei einem Votum für Gorleben die Erfolgsaussichten von Klagen zu mindern.

Röttgen wiederum hatte schon im November bei der Ankündigung der bundesweiten Suche Vorwürfe von irgendwelchen Vorfestlegungen klar zurückgewiesen. „Es gibt eine weiße Landkarte, kein Tabu“, so Röttgen. Aber zu dieser Landkarte gehöre eben auch Gorleben. (dpa)

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