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Energiepolitik: Merkel: Atomausstieg hat Bestand

Bundeskanzlerin Angela Merkel will trotz vehementen Drucks der CSU am Atomausstieg festhalten. Die SPD-Fraktion wirft der Union unterdessen "typisches Oppositionsverhalten" vor.

Berlin - «Der Koalitionsvertrag lässt an dieser Stelle nichts an Deutlichkeit zu wünschen übrig», sagte Regierungssprecher Thomas Steg am Mittwoch in Berlin. Das habe Merkel deutlich gemacht. «Deshalb kann die Regelung zum Atomausstieg nicht geändert werden.» CSU-Chef Edmund Stoiber und Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) legten jedoch nach und wandten sich gegen eine baldige Abschaltung der Atomkraftwerke.

Stoiber forderte von der SPD Kompromissbereitschaft. Ihm gehe es nicht um eine Renaissance der Atomkraft, sondern darum, sichere Atomkraftwerke «ein Stück länger laufen zu lassen», sagte er in Wildbad Kreuth. Das könne nur mit der SPD geschehen, nicht gegen sie. «Aber es muss auch klar sein, dass ein Koalitionsvertrag keine Bibel ist», sagte er dem Fernsehsender N24. Glos will weiter für eine Rücknahme des Atomausstiegs kämpfen. Er zeigte sich optimistisch, dass «sich die wirtschaftliche Vernunft auch innerhalb der großen Koalition durchsetzen wird».

«Wenn wir nichts unternehmen, kommt es zu einer Reihe von Abschaltungen technisch einwandfreier Kernkraftwerke», sagte Glos. «Das ist etwas, was wir uns nach meinem Dafürhalten nicht leisten können.» Nach dem von Rot-Grün mit der Industrie erzielten Atomkonsens, an dem laut Koalitionsvertrag nicht gerüttelt wird, müssen alle 17 deutschen Atomreaktoren bis 2021 abgeschaltet werden, einige wie der hessische Reaktor Biblis A in den kommenden Jahren.

Der Regierungssprecher rechnet im Gegensatz zu Glos nicht damit, dass der Atomausstieg auf der Kabinettsklausur kommende Woche in Genshagen bei Berlin angesprochen wird. Er gehe davon aus, dass über das Thema auf dem «Energiegipfel» im März von Energieversorgern, Verbrauchern und Bundesregierung beraten werde, sagte Steg. Zuvor hatten auch mehrere CDU-Politiker gefordert, über längere Restlaufzeiten nachzudenken.

SPD-Fraktionsvize Ulrich Kelber kritisierte die Forderungen aus der Union. «Das ist kein Verhalten, das einer Regierung hilft», sagte er der dpa. Kelber warnte vor Sicherheitsrisiken. Die Nachrüstung etwa von Biblis A könne eventuell mehr als eine Milliarde Euro kosten. «Das hätte auch Auswirkungen auf die Strompreise.» Er rechnet nicht mit einer Klärung des Atomstreits auf dem «Energiegipfel». Grünen-Fraktionsvize Reinhard Loske nannte die Forderung der CSU einen «Griff in die Mottenkiste».

Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) unterstützte Glos dagegen. Ein Verbot einzelner Energieträger gefährde die Versorgungssicherheit, sagte Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben. Der Sprecher des Deutschen Atomforums, Christian Wößner, sagte der dpa: «Wir würden es begrüßen, wenn das Thema Laufzeitverlängerung wieder auf den Tisch kommen würde.» CSU-Generalsekretär Markus Söder meinte im Fernsehsender N24 mit Blick auf den Koalitionspartner SPD: «Da wird es noch viel Überzeugungsarbeit brauchen.»

Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD), der den Atomausstieg für beschlossene Sache hält, verwies auf die Abhängigkeit. «Uran ist die einzige Energieressource, bei der Deutschland zu 100 Prozent von Importen abhängig ist.» Der Atomexperte Michael Sailer warnte vor überzogenen Erwartungen an längere Laufzeiten. Ein solcher Schritt würde längerfristig nicht zu mehr Versorgungssicherheit führen, sagte der Vize-Geschäftsführer des Öko-Instituts der dpa in Darmstadt. «Die Uranvorräte gehen zur Neige, wenn die Kernkraftwerke weiter betrieben werden.»

Umweltstaatssekretär Michael Müller (SPD) warf Glos in der «Sächsischen Zeitung» vor, die Angst vor einem Versorgungsengpass nach dem Gasstreit zwischen Russland und der Ukraine zu missbrauchen. Der Parlamentarische Agrarstaatssekretär Peter Paziorek (CDU) sagte der Tageszeitung «taz» hingegen, er halte längere Laufzeiten für sinnvoll, »um Spielraum für die Marktentwicklung erneuerbarer Energien zu erhalten». (tso/dpa)

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