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Energiewende: Atom – in elf Jahren ist Schluss

Die schwarz-gelbe Koalition will bis spätestens 2022 alle deutschen Kernkraftwerke abschalten. Union und FDP folgen damit im Wesentlichen der Ethikkommission, die ihre Empfehlungen für einen neuen Energiekonsens am Montag offiziell präsentierte.

Berlin - Mit dieser Kehrtwende macht die Koalition die erst vor sieben Monaten beschlossene Verlängerung der Atomlaufzeiten bis etwa 2040 rückgängig. Nun will sie die sieben ältesten Atommeiler und den Reaktor Krümmel abgeschaltet lassen. Sechs weitere Akws sollen bis 2021 vom Netz, die modernsten drei Kraftwerke dann bis 2022. Das entspricht in etwa dem Ausstiegsbeschluss der früheren rot-grünen Bundesregierung aus dem Jahr 2000, den Schwarz-Gelb gekippt hatte. Die im Herbst eingeführte Brennelementesteuer soll beibehalten werden. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sieht in der angestrebten Energiewende eine „riesige Chance für kommende Generationen“. Nach der Atomkatastrophe in Fukushima habe die Regierung „die Rolle der Kernenergie noch einmal überdenken müssen“, sagte sie. Die Energieversorger als wirtschaftlich Hauptbetroffene äußerten sich nur zurückhaltend über die Pläne der Regierungskoalition.

In einer mindestens ebenso beispiellosen Kehrtwende erklärte sich Bayern bereit, auch den Süden für ein Atommüllendlager ausforschen zu lassen. Neben der ergebnisoffenen Erkundung Gorlebens habe sich die Koalition geeinigt, Verfahren zur Ermittlung „allgemeiner geologischer Eignungskriterien“ einzuleiten, sagte CSU-Chef Horst Seehofer. Ganz Deutschland müsse „neu ausgeleuchtet“ werden. Bayern hatte sich bislang gegen eine bundesweite Suche nach Alternativen zu Gorleben gesperrt.

Die Opposition zeigte sich grundsätzlich bereit, den Atomkompromiss mitzutragen, kritisierte aber den Beschluss, mindestens einen Reaktor als sogenannte Kaltreserve beizubehalten. Es sei wenig sinnvoll, ausgerechnet Akws in Bereitschaft zu halten, sagte SPD-Chef Sigmar Gabriel. Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin monierte: „Die Hintertüren sind noch nicht zu.“ Auch die Ethikkommission, die einen Ausstieg bis 2021 und die Stilllegung der acht abgeschalteten Meiler empfiehlt, distanzierte sich von dem Plan. Grundsätzlich lobte der Kommissionsvorsitzende Klaus Töpfer aber die Entscheidungen der Koalition und bezeichnete sie als unumkehrbar: „Eine solch weitreichende Veränderung einer Position hat es in einer Partei ja kaum einmal gegeben. Da kann man dann nicht mehr dahinter zurückfallen“, sagte er dem Tagesspiegel. Gelinge die Energiewende, werde das international „großes Interesse auslösen. Würde sie scheitern, erst recht.“

Parallel zu ihren Akw-Beschlüssen verkündete die Koalition weitere Regelungen, die auch zum Energiesparen beitragen und Belastungen für Industrie und Gewerbe mildern sollen. Eigenheimbesitzer können ab 2012 wieder auf Hilfen bei der Sanierung zurückgreifen; der Bund stellt dafür jährlich zinsverbilligte Kredite über 1,5 Milliarden Euro zur Verfügung.

Jürgen Hambrecht, Mitglied der Ethikkommission und Ex-BASF-Chef, stellte derweil den Zeitplan für die Energiewende wieder infrage. Wenn nicht ausreichend grundlastfähiger Strom bereitgestellt werde, „muss man die Energiewende gegebenenfalls noch um ein paar Jahre strecken“, sagte Hambrecht dem Tagesspiegel. Polens Wirtschaftsminister Waldemar Pawlak schlug angesichts des deutschen Ausstiegs vor, den geplanten Einstieg seines Landes in die Atomkraft zu überdenken. (mit dpa/rtr/dapd/AFP)

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