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Am Ende zahlen immer die Kunden, bedauert die Chefin des Verbands Kommunaler Unternehmen,Katherina Reiche.

© Sebastian Widmann/picture alliance / dpa

Energiewende: „Bezahlen muss am Ende der Kunde“

Die Hauptgeschäftsführerin des Verbands Kommunaler Unternehmen, Katherina Reiche, wirbt um Akteursvielfalt und wünscht sich bessere Bedingungen für die Stadtwerke. Ein Interview.

Frau Reiche, mit dem EEG 2016 wird ein neuer Regulierungsrahmen für den Ausbau erneuerbarer Energien gesetzt. Bringt er den Stadtwerken neue Entwicklungsmöglichkeiten? Oder fürchten die vom VKU vertretenen Unternehmen die Ausschreibungen eher?

Mit dem neuen EEG soll es mehr Wettbewerb und mehr Kosteneffizienz geben. Dieses Ziel ist richtig und notwendig. Der Zubau erneuerbarer Energien soll passgenauer erfolgen. Die Bundesregierung sollte jedoch darauf achten, dass die Akteursvielfalt erhalten bleibt. Neben den Projektierern großer Windparks müssen auch kleinere Stadtwerke und Bürgerenergiegenossenschaften eine Chance haben, Projekte erfolgreich zu platzieren. Viele Stadtwerke bieten auf diesem Wege Bürgern die Chance, direkt an der Energiewende teilzuhaben.

Es stehen noch weitere energiepolitische Entscheidungen an. Welche halten Sie für den Fortgang der Energiewende für besonders relevant und warum?

Derzeit liegen fünf Gesetzesvorhaben dem Deutschen Bundestag und Bundesrat zur Beschlussfassung vor. Von besonderer Bedeutung ist für uns die sogenannte Anreizregulierungsverordnung. Die Stromverteilnetze sind die Kapillaren der deutschen Energieversorgung. 97 Prozent der erneuerbaren Energien werden in die Verteilnetze eingespeist. Die aktuelle Regulierung hat vor allem zum Ziel, die Effizienz der Netzbetreiber zu steigern sowie Versorgungssicherheit und Investitionsfähigkeit zu sichern. Der jetzt vorliegende Entwurf verfehlt jedoch ganz klar das Ziel, Investitionsanreize zu schaffen. Und das, obwohl der rasante Ausbau der erneuerbaren Energien umfangreiche Investitionen in die Netzinfrastruktur und den Netzbetrieb erfordert. Durch den Entwurf verschlechtert sich für viele sogar der Status quo, weil bereits getätigte Investitionen entwertet werden. Die Pläne der Bundesregierung belasten beispielsweise einen Verteilnetzbetreiber im Norden Brandenburgs mit einem zweistelligen Millionenbetrag pro Jahr oder einen anderen Verteilnetzbetreiber in Sachsen mit 50 Millionen Euro im Jahr. Das entwertet kommunales Vermögen im großen Stil. Wir appellieren daher an die Bundesländer, diese Verordnung im Bundesrat deutlich zu verbessern.

Katherina Reiche (42) ist seit September 2015 Hauptgeschäftsführerin beim Verband kommunaler Unternehmen. Sie saß von 1998 bis 2015 für die CDU Brandenburg im Bundestag. Von 2009 bis 2013 war sie Staatssekretärin im Bundesumweltministerium. Im Anschluss wurde sie Staatssekretärin im Verkehrsministerium. Im Februar schied sie aus dem Ministerium aus.
Katherina Reiche (42) ist seit September 2015 Hauptgeschäftsführerin beim Verband kommunaler Unternehmen. Sie saß von 1998 bis 2015 für die CDU Brandenburg im Bundestag. Von 2009 bis 2013 war sie Staatssekretärin im Bundesumweltministerium. Im Anschluss wurde sie Staatssekretärin im Verkehrsministerium. Im Februar schied sie aus dem Ministerium aus.

© Wolfgang Kumm/picture alliance / dpa

Darüber hinaus bereitet uns das Gesetz zur Digitalisierung der Energiewende Sorge. Viele verbinden damit den Einbau intelligenter Stromzähler. Es geht aber um viel mehr. Die Aufgabe der Stadtwerke ist es, im Netz für die Stabilität zu sorgen, die für die Kundenrechnungen nötigen Energiedaten zu sammeln und diese auf ihre Richtigkeit zu prüfen. Nach den Plänen der Bundesregierung sollen allerdings die Übertragungsnetzbetreiber diese sogenannte Bilanzierungsaufgabe übernehmen. Die Folge: Erhebliche Kosten für die Kunden, weil eine neue und parallele Struktur bei den Übertragungsnetzbetreibern aufgebaut werden müsste. Um den Rollout intelligenter Messsysteme zudem nicht mit zusätzlichen Kosten für eine separate Kundenrechnung zu überfrachten, sollte es auch zukünftig möglich bleiben, das Messentgelt ganz unkompliziert über den lokalen Energieversorger abzurechnen. Kurzum: Wir fordern, dass die Daten bei denen bleiben, die sich damit auskennen und die auch bisher dafür verantwortlich sind.

Wie fit für die Energiewende sind Ihre Mitgliedsunternehmen? Und wie können Sie ihnen auf dem Weg helfen?

Die Energiewende setzt auf dezentrale Lösungen, das ist die DNA der Stadtwerke. Sie sind dabei, ihr Erzeugungsportfolio klimaschonender und nachhaltiger umzubauen. Die Stadtwerke haben alleine 2014 über vier Milliarden Euro in den Ausbau erneuerbarer Energien sowie klimaschonender Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen investiert.

Die Digitalisierung wird dabei helfen, die Energiewende effizienter und damit erfolgreicher zu gestalten. Schon heute wäre das Steuern der Netze ohne Digitalisierung nicht möglich. Die Digitalisierung verändert die Wertschöpfungskette und die Art der Kundenbeziehungen. Und das nicht nur bei uns, sondern in allen Branchen. Wir werden neue Produkte sehen, neue Formen der Zusammenarbeit zwischen Stadtwerken und Plattformen, auf denen sich die Energieversorger austauschen, kooperieren oder auch neue Produkte platzieren können. Dabei unterstützen wir unsere Mitglieder nach Kräften. 

Was sollte in der nächsten Legislaturperiode angepackt werden, um den Umbau des Energiesystems zu bewältigen?

Die nächste Bundesregierung sollte mit Blick auf die Energiebranche die volkswirtschaftlichen Gesamtkosten im Auge haben. Es gibt immer noch zu viele lose Enden. In der nächsten Legislaturperiode muss neben dem Klimaschutz das Augenmerk stärker auf Kosteneffizienz und Versorgungssicherheit gesetzt werden. Versorgungssicherheit ist für das Industrieland Deutschland von größter Bedeutung. Aber anstatt bei der Versorgungssicherheit auf Wettbewerb in der Energieerzeugung zu setzten, plant die Bundesregierung derzeit eine Netzreserve, eine Kapazitätsreserve und eine Braunkohle-Klimareserve. Lauter Maßnahmen, die für mehr Regulierung und weniger Wettbewerb stehen. Und bezahlen muss es am Ende der Kunde.

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