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Politik: "Engagement hat etwas mit Kampf zu tun" - Auf einem Jugendforum präsentiert sich der Kanzler als dynamischer Onkel

Die Jugend von heute steht bei Politikern hoch im Kurs. Weil sich Parteien immer stärker über ihr Image statt über ideologische Bindungen definieren, brauchen sie die frische Ausstrahlung von Heranwachsenden.

Die Jugend von heute steht bei Politikern hoch im Kurs. Weil sich Parteien immer stärker über ihr Image statt über ideologische Bindungen definieren, brauchen sie die frische Ausstrahlung von Heranwachsenden. Diese lassen sich jedoch - glauben Politiker - nur mit Events hinterm Ofen vorlocken. Und so dachte sich die alte Tante SPD, ein Jugendforum zu veranstalten.

300 Mädchen und Jungen zwischen 16 und 25 Jahren wurden aus allen Wahlkreisen nach Berlin gefahren, um am Dienstagabend mit Gerhard Schröder über "Euer Jahrhundert" zu diskutieren. Im Wissenschaftszentrum Adlershof saß der Kanzler auf einer bunten Bühne und lauschte jungen Visionären. Erstaunt stellte er fest, dass es nicht allzu viele davon gab.

Die Debatte drehte sich um praktische Dinge, die junge Leute interessieren, etwa ums Internet. In lässiger Pose konnte Schröder darüber reden, dass er "eher schlecht" mit Computern umgehen kann. Er hätte in der Schule noch auf der Schiefertafel geschrieben. Die heutige Generation komme nicht so einfach davon. "Ihr müsst das können, sonst fliegt ihr aus wichtigen Zusammenhängen raus", erklärte Schröder fast drohend. Das Publikum und die zwölf ausgewählten Diskutanten auf dem Podium nickten brav. Dann konnte Schröder endlich sein Lieblingsprojekt "Schulen ans Netz" ansprechen, mit dem alle deutschen Lehranstalten einen kostenlosen Internet-Anschluss erhalten sollen. Der 55-Jährige gab sich so tatkräftig, dass es seinen Gästen die kesse Lippe verschlug.

Artig versprachen sie dem "lieben Genossen Gerhard", sich fit zu machen für die Zukunft. Der 21-jährige Enrico Kreft aus Lübeck kündigte etwa an, er wolle als Koch und Jurist gleichzeitig arbeiten. Katrin Leutel aus Wiesbaden sagte, sie brauche kein Latein und keine Goethe-Gedichte mehr, denn sie wolle "vorankommen". So viel Engagement für die Karriere wurde selbst Schröder unheimlich. Als eine junge Fragestellerin meinte, sie könne es sich wegen ihres Jobs nicht leisten, "nachmittags noch Bäume zu pflanzen", mahnte Schröder zu etwas mehr Gesellschaftsdenken. Ansonsten gefiel sich der Kanzler als jung gebliebener Onkel, der seine Antworten vornehmlich mit vier Worten begann: "Ich stimme Dir zu."

Angesichts der verbalen Umarmungen kam in den hinteren Reihen Unmut auf. "Wir sind hier nur Mittel zum Zweck", schimpfte die 19-jährige Nina Mackert aus Kiel. Auch Elena Hermanns sah sich in einer "PR-Veranstaltung". Die 18-jährige Schülerin interessiert sich zwar für Politik, hat aber mit Parteien nichts am Hut. Damit steht sie stellvertretend für die mehr als 15 Millionen jungen Deutschen, von denen sich nur zwei Prozent in den Jugendorganisationen der Parteien engagieren.

Schröder zeigte aber selbst dafür väterliches Verständnis. Schließlich habe er in seiner Schulzeit viele Veranstaltungen besucht, die nichts mit etablierter Politik zu tun hatten. "Engagement hat was mit Kampf zu tun", rief der Kanzler motivierend in den Saal. Doch da hatte die junge Generation bereits das Buffet gestürmt.

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