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England: „Ich bin stolz, britisch zu sein“

Trotz innenpolitischer Probleme gibt sich Premier Gordon Brown auf dem Labour-Parteitag selbstbewusst. Ob der neue Premier auch Neuwahlen will ist noch unklar.

Von Markus Hesselmann

Er hat sie nicht erwähnt. Obwohl Großbritanniens Medien sich auch am Montagmorgen noch einmal ausführlich mit dem Thema Unterhauswahlen befassten, ging Gordon Brown in seiner ersten Parteitagsrede als Premierminister und Parteichef darauf nicht ein. Nach britischem Wahlrecht hat der Premierminister innerhalb der fünfjährigen Wahlperiode das Recht – in Browns Fall bis 2010 –, einen Wahltermin festzusetzen, der ihm selbst am vorteilhaftesten erscheint. Die meisten Beobachter gingen zuletzt von einer baldigen Wahl aus, weil Brown fast 100 Tage nach seiner Amtsübernahme in den Meinungsumfragen souverän führt. Da Brown einen baldigen Wahlgang am Montag in Bournemouth auch nicht ausschloss, werden die Spekulationen nun wohl unvermindert weitergehen.

Der Labour-Parteitag dauert bis Donnerstag. Ende der Woche werden sich dann die Konservativen, deren Chef David Cameron in den Umfragen immer weiter hinter Brown zurückfällt, zu ihrem Parteitag im nordenglischen Seebad Blackpool versammeln. Es wird nun erwartet, dass Brown den Tory-Parteitag und die Reaktionen darauf abwarten wird, bevor er eine Entscheidung über einen Wahltermin fällt.

In einer sehr patriotischen Ansprache, mehr die Rede eines Landesvaters an sein Volk als die Rede eines Parteichefs an die Delegierten, griff Brown die dramatischen Ereignisse seit seiner Amtsübernahme Ende Juni auf: Terror in London und Glasgow, Flut, Maul- und Klauenseuche. Er lobte nicht sich selbst und seine Regierung für ihre Arbeit seitdem, sondern das britische Volk und seine Widerstandskraft. „Großbritannien wurde herausgefordert und hat sich keine Blöße gegeben. So sind wir. Ich bin stolz, britisch zu sein.“

In den Umfragen konnte Brown auch die jüngste Bankenkrise mit langen Schlangen von Sparern an den Schaltern des gefährdeten Kreditinstituts Northern Rock nichts anhaben. In seiner Rede betonte Brown, dass die britische Wirtschaft stark genug sei, diese Krise, „die in den USA begann und sich in Deutschland fortsetzte“, zu überstehen. Brown betonte, Großbritannien erlebe im Gegensatz zu anderen westeuropäischen Ländern seit Jahren wirtschaftliches Wachstum. „Bei den Löhnen liegen wir vor Deutschland und Frankreich.“ Auch bei der Arbeitslosigkeit stehe sein Land besser da.

Die Gewerkschaften, deren Einfluss in der Labour-Partei unter Browns Vorgänger Tony Blair systematisch zurückgedrängt worden war, umgarnte Brown mit einem Lob für „ihren erfolgreichen Kampf um einen nationalen Mindestlohn“, der nun auf rund 5,50 Pfund (8,25 Euro) festgesetzt werde.

Auf die Forderungen nach einem Referendum zum EU-Vertrag ging Brown nicht direkt ein, betonte aber, dass er alle britischen Essentials in den Detailverhandlungen durchsetzen wolle. Bei dem Thema wird Brown gleich von zwei Seiten bedrängt: von den Konservativen, die den EU-Vertrag mit der gescheiterten Verfassung vergleichen und deshalb das Volk befragen lassen wollen. Und von den Gewerkschaften, die sich darüber beschweren, dass der EU-Vertrag gerade wegen britischer Vorbehalte nun bei den Arbeitnehmerrechten für sie nicht mehr weit genug gehe. Er sei ein „guter Internationalist und ein guter Europäer“, beteuerte Brown. Seinen Aufgaben in Irak und Afghanistan werde sich Großbritannien nicht entziehen. Von weiteren Truppenreduzierungen im Irak war keine Rede.

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