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Politik: Ente im Kochtopf Von Moritz Schuller

Als „lahme Ente“ bezeichnen die Angelsachsen den Politiker, der so angeschlagen ist, dass er bereits seinem Ende entgegenwatschelt. Die Ente Blair ist ihrer Zeit voraus, sie sitzt schon im Kochtopf: die Labour Party feiert den epochalen dritten Wahlsieg in Folge, indem sie den eigenen Premier zum Wahlverlierer erklärt.

Als „lahme Ente“ bezeichnen die Angelsachsen den Politiker, der so angeschlagen ist, dass er bereits seinem Ende entgegenwatschelt. Die Ente Blair ist ihrer Zeit voraus, sie sitzt schon im Kochtopf: die Labour Party feiert den epochalen dritten Wahlsieg in Folge, indem sie den eigenen Premier zum Wahlverlierer erklärt. Umstritten ist wohl nur noch, wann Tony Blair dem wahren Gewinner der Wahl – Finanzminister Gordon Brown – die Macht überlassen muss.

Verloren hat in der Tat vor allem Blair: Als Feldherr, der es nicht vermocht hat, seinem Land (und seiner Partei) den Irakkrieg zu erklären. Er hat zwar die Zustimmung des Parlaments für den Einmarsch bekommen, aber dafür seine Glaubwürdigkeit verpfändet. Dieses Pfand hat er nie wieder einlösen können. Am Ende des Wahlkampfes hat er sogar eingesehen, dass man seinen Eintrag ins Geschichtsbuch unter K wie Krieg finden wird.

Dass aber Blairs ursprüngliche Agenda – der sozial gerechte Umbau der Gesellschaft – so vollständig von Krieg, von der KellyAffäre, dem Hutton-Bericht und dem bitteren Streit mit der BBC überlagert werden konnte: das zeigt, dass auch jener andere Blair, der Verfechter des Dritten Weges, ein Verlierer dieser Wahl ist. Was hätte er ohne den Krieg gemacht? Wie neu wäre „New Labour“ noch gewesen? Es blieb unklar.

Bei der Wahl ging es aber nicht wirklich um Regierungsmacht: zu abgeschlagen die Konservativen, zu schwach schließlich auch die pazifistischen Liberaldemokraten. Dass die noch immer von Thatcher traumatisierten Tories in naher Zukunft ernsthafte Gegner sein könnten, ist nun, nach dem Rücktritt ihres Vorsitzenden, noch unwahrscheinlicher. Das politische Spektrum Großbritanniens ist nach der Wahl noch ärmer.

Am Donnerstag stand in Wahrheit nur die künftige Ausrichtung der Labour Party zur Wahl. Noch kann Blair weiterregieren mit einer Parlamentsmehrheit, von der jeder deutsche Kanzler träumen würde. Doch der Widerstand, den er etwa bei der Abstimmung zu den Studiengebühren aus der eigenen Fraktion erfahren musste, zeigt, wie viele in ihm schlicht einen Verräter an den alten Labour-Werten sehen. Auf genau die wird er nun mehr Rücksicht nehmen müssen. Blair, der Parteichef, hat weiter die Kontrolle über seine Partei verloren.

Dabei lag die Stärke von „New Labour“ nicht zuletzt darin, dass ihr eine Doppelspitze voranstand: der smarte Blair und der traditionelle Brown, europafreundlich und moderat der eine, linker Euro-Gegner der andere. Der Wahlausgang hat diese Machtkonstellation aus der Balance gebracht. Tritt Blair erst einmal ab, wird auch Labour, alt und neu, zu den Verlierern gehören.

Die neue Regierung steht vor großen Aufgaben: im Juli ist sie Gastgeber des G-8-Gipfels, und direkt nach dem französischen Verfassungsreferendum übernimmt sie die EU-Ratspräsidentschaft. Innenpolitisch muss sie vermutlich schon bald Steuererhöhungen durchsetzen. Dass sie diese Aufgaben mit einem angeschlagenen Premier in Angriff nimmt, ist ein Verlust für das ganze Land.

Tony Blair hat einen historischen Wahlsieg errungen – und ist doch als Premier und Parteichef geschwächt. Das war das Ziel der Wähler und seiner eigenen Partei. Was aber Gordon Brown, der uncharismatische, erfolgreiche Finanzminister noch leisten kann, ist heute vollkommen offen. An ihm hängt es, ob aus dieser Wahl am Ende nur Verlierer hervorgegangen sind – oder wenigstens ein Gewinner.

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