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Politik: Enthüllte Geschichte

Nacktbader, kollektivierte Bauern und DDR-Computer: George W. Bushs Erkundungen in Vorpommern

Reich beschenkt hat US-Präsident Georg W. Bush am Donnerstagabend Trinwillershagen verlassen. Ein holzgeschnitzter Seeadler von der Insel Rügen, Bernstein-Manschettenknöpfe und einen Satz DDR-Münzen gaben ihm die Gäste des Grillfestes mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit auf den Weg. Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsident Harald Ringstorff (SPD), der „zugegebenermaßen“ recht spät eingeladen wurde, habe „echt etwas verpasst“, lästerte CDU-Landesgeneralsekretär Lorenz Caffier bei Bier und Korn auf der Terrasse der Gaststätte „Zu den drei Linden“. Die meisten der von der CDU ausgesuchten Gäste sprachen von einem „Treffen unter Freunden“. Hemdsärmelig, schulterklopfend und „sehr interessiert an uns“ sei Bush ihr begegnet, berichtete die CDU-Landtagsabgeordnete Gesine Skrzepski so angetan wie angeheitert. Bush habe ihr sogar ob ihrer „big blue eyes“ ein Kompliment gemacht.

Pünktlich um halb sieben waren die beiden blau-weißen Präsidenten-Helikopter auf dem akkurat gemähten Rasen des Sportplatzes gelandet, wo die Kanzlerin in Jeans und blauem Blazer ihren Freund mit „lieber Georg“ begrüßte. Der US-Präsident legte das Jackett ab, krempelte die Hemdsärmel auf und schüttelte zahlreiche Hände der hinter einem Absperrgitter wartenden Leute. Dem Dirigenten des Jugendblasorchesters Grimmen entwand er den Stock, um selbst den Takt anzugeben, bevor er zusammen mit Merkel die kross gebratene Wildsau am Spieß anschnitt. Von den folgenden zwei Stunden an einfachen, weiß gedeckten Biertischen schwärmten die verbliebenen Gäste noch Stunden später. Nordvorpommerns Landrat Wolfhard Molkentin war beeindruckt, wie gut vorbereitet Bush gewesen sei. Gezielt habe der ihn nach den einstigen Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften gefragt, weil er offenbar wusste, „dass ich früher selbst in einer LPG tätig war“. Stralsunds Oberbürgermeister Harald Lastovka (CDU) durfte dem Präsidenten erzählen, dass er früher Software-Elektroniker bei der DDR-Computerfirma Robotron war. Während Bush alkoholfreies Bier trank, berichtete Torsten Hennig, warum er zu DDR-Zeiten nicht Lehrer werden durfte, die Rügener CDU-Kreischefin Andrea Köster erzählte von den Schwierigkeiten, bis 1990 ein Behindertenheim zu leiten. Bush fragte sie auch nach einem in der DDR weit verbreitetem Freizeitvergnügen. Sie gab offen zu, dass auch sie FKK-Anhängerin sei. „Bush sagte, in Texas sei man doch eher prüde. Und ich gefalle ihm angezogen besser.“ Da wurde gelacht am Biertisch.

Aus Trinwillershagen waren nur „Linden“-Wirt Olaf Micheel, das einzige CDU-Mitglied im Ort, und Bürgermeister Klaus-Dieter Tahn (parteilos) eingeladen. Damit Bush das einstige DDR-Vorzeigedorf nicht allein mit christdemokratisch gefärbten Erinnerungen verlässt, schenkte ihm Tahn einen üppig aufgemachten Sonderdruck der Dorfchronik. Geschrieben hat sie Siegfried Kell. Der ehemalige Lehrer war bis 1990 Bürgermeister und SED-Mitglied.

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