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Politik: Entlastung nur für den Augenblick

Der Hutton-Bericht bringt Blair jetzt in Bedrängnis

Tony Blairs Entlastung durch Lord Huttons Untersuchung der so genannten Kelly-Affäre ist von kurzer Dauer. Großbritanniens Premier gerät unter wachsenden Druck, eine umfassendere Untersuchung der Entscheidung für den Irakkrieg zuzulassen. Dazu trägt nicht nur die wachsende Empörung über Lord Huttons als einseitig empfundenen Schlussfolgerungen bei, sondern auch das Eingeständnis der US-Regierung, dass der Irak möglicherweise keine Massenvernichtungswaffen gehabt hat.

Oppositionsführer Michael Howard will am Montag eine solche Untersuchung beantragen und baut auf Unterstützung bei allen Parteien. „Es ist von höchster Bedeutung herauszufinden, was falsch gelaufen ist, wenn die Geheimdienste der Meinung waren, dass es Massenvernichtungswaffen gab, und nun klar wird, dass es keine gibt“, sagte Howard dem „Sunday Telegraph“. Howards Wunsch wird auch bei Labour viel Rückhalt erhalten. Der vor dem Krieg zurückgetretene frühere Minister Robin Cook forderte Blair auf zuzugeben, dass die Geheimdienstinformationen falsch waren. Auch wenn Blair sie „im guten Glauben“ akzeptiert habe, „es wird peinlich, wenn er die Wahrheit weiter bestreitet“.

Blair geht weiter davon aus, dass die Geheimdienstberichte korrekt waren und man „abwarten“ müsse, bis der Abschlussbericht der Irak Survey Group frühestens im Frühjahr vorliegt. Aber in Washington plant nun offenbar sogar Präsident Bush eine unabhängige Untersuchung zu der Frage. Seine nationale Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice räumte Fehler der Geheimdienste bereits ein. Blairs Position wird durch die Haltung Washingtons untergraben, zumal er, anders als Bush, die Bedrohung durch die irakischen Waffen als alleinigen Kriegsgrund anführte.

Am Mittwoch ist im Parlament eine eintägige Aussprache zum Hutton-Bericht angesetzt. Dabei dürfte sich die Skepsis der Briten gegenüber dem Bericht im Unterhaus Luft machen. Umfragen zufolge hält nur ein Drittel der Bevölkerung die Schlussfolgerungen Huttons für fair. Der Lordrichter hatte die BBC-Berichterstattung scharf gerügt, die Regierung Blair aber ungeschoren davonkommen lassen. Der „zurückgetretene“ BBC-Generaldirektor Greg Dyke warf Blair „systematische Einschüchterungsversuche“ gegenüber der BBC und ihrer Kriegsberichterstattung vor. Dyke bestätigte, dass er gegen seinen Wunsch vom BBC-Aufsichtsrat entlassen wurde. Er kündigte eine umfassende Kritik an Huttons Urteil an, dem er unzureichendes Verständnis des Presserechts und der journalistischen Praxis vorwirft.

Matthias Thibaut

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