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Die grünen Spitzenkandidaten Katrin Göring-Eckardt und Jürgen Trittin.

© dpa

Entscheidung für Spitzenkandidaten: Die Grünen auf neuen Wegen

Das Ergebnis der grünen Urwahl war überraschend eindeutig: Die Parteibasis hat sich für eine Mischung aus linkem Pragmatismus und Wertkonservatismus entschieden. Damit können sie auch auf Bundesebene auf den "Kretschmann-Effekt" hoffen.

Von Sabine Beikler

Die Grünen sind mal wieder für eine Überraschung gut. Mit so einem klaren Urwahl-Ergebnis hatte wohl niemand gerechnet, schon gar nicht in der Spitze der Partei. Jürgen Trittin galt zwar als gesetzt, aber mit seinem Ergebnis ragt er heraus. Daneben schien es eigentlich nur fraglich zu sein, ob Renate Künast oder Claudia Roth den Zuschlag der Basis bekommen würde. Nun hat es keine von beiden geschafft, Parteichefin Roth bleibt weit abgeschlagen zurück. Dafür ist jetzt Katrin Göring-Eckardt, die Außenseiterin, Spitzenkandidatin neben – oder auch hinter – Trittin.

Innerparteilich zeigt diese Wahl zweierlei: Die grüne Basis hatte das Bedürfnis nach einem neuen Gesicht in der Führungsriege; Göring-Eckardt ist mit ihren 46 Jahren gut zehn Jahre jünger als ihre Konkurrentinnen. Zudem scheint die Dominanz des linken Flügels gebrochen zu sein: Trittin gilt zwar als Linker – allerdings auch als pragmatisch. Und Göring- Eckardt zählt zum realpolitischen, ja wertkonservativen Teil der Partei.

Vor allem für Claudia Roth ist das Ergebnis eine derbe Niederlage. Ausgerechnet sie, die mit ihrer Kandidatur das Urwahlverfahren mit angestoßen hat, erhielt nur ein Viertel der Stimmen. Ob sie in einer Woche bei der Wahl zum Bundesvorstand wieder antritt, ist offen. Aber sollte sie antreten, wird sie wohl ein Spitzen-Ergebnis einfahren, zum Trost. Bei Renate Künast sieht die Situation anders aus. Nach verpatzter Berlin-Wahl hat sie nur noch eine Chance: die Rettung in ein Ministeramt. An der Spitze der Fraktion wird sie sich kaum halten können.

Trittin, der für Ökologie und Finanzpolitik steht, und Göring-Eckardt, die das Thema soziale Gerechtigkeit abdeckt, eröffnen für die Grünen neue Optionen. Die Thüringerin steht als Kirchenrepräsentantin für Wertkonservatismus. Sie ist weniger zuspitzend als Trittin und hat keine Berührungsängste mit dem konservativen Milieu. Mit ihr können die Grünen auf einen „Kretschmann-Effekt“ hoffen. Das, was dem ersten grünen Ministerpräsidenten in Baden-Württemberg geglückt ist, könnte auch auf Bundesebene ziehen: ein Kampf um wichtige Stimmen der bürgerlichen Mitte.

Die SPD wird sich warm anziehen müssen. Mit ihrem designierten Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück steht die Partei derzeit nicht gut da. Und die Debatte um dessen Nebeneinkünfte wird noch nachhallen. Dadurch haben die Grünen die Chance, brav vordergründig weiter für Rot-Grün zu werben, aber hinterrücks ihr sozial-ökologisches Profil zu verfestigen und sich klarer zu profilieren. Wenn es sein muss, werden sie sich auch schärfer von der SPD abgrenzen.

Mit dem gemischten Grünen-Duo aus einem linken, aber pragmatischen Trittin und einer wertkonservativen Göring-Eckardt wird es auch für die FDP schwerer. Sie dümpelt bei fünf Prozent herum. Die Grünen könnten eine Scharnierfunktion einnehmen, wie sie früher einmal die FDP hatte, und die treibende Kraft werden – auch für eine Ampelkoalition.

Das Thema Schwarz-Grün tastet zurzeit kaum einer aus der Partei gerne an. Schon gar nicht, wenn die Umfragewerte für Rot-Grün in Niedersachsen gut sind. Aber es gibt mehr und mehr Grüne aus den Ländern, die keine Berührungsängste mit der CDU haben. Denn eines haben die Grünen aus den vergangenen Wahlen gelernt: Definitiv ausschließen sollte man keine Option. Sonst bleibt womöglich wieder nur die Opposition.

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