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Politik: Entscheidung in der Schule

Im Wahlkampf in Hessen und Niedersachsen steht die Bildung ganz vorn – Koch und Gabriel wollen sich als Reformer profilieren

Bildung rangiert ganz vorn in den Wahlkämpfen in Hessen und Niedersachsen, laut einer Umfrage von Infratest dimap für Hessen sehen die Bürger es als das zweitwichtigste Thema nach Wirtschaft und Arbeit. Roland Koch kommt das zupass, weil er landespolitisch vor allem mit diesem Thema punkten will. Die vom hessischen Ministerpräsidenten im letzten Landtagswahlkampf versprochene „Unterrichtsgarantie" sei verwirklicht, lobt sich die CDU/FDP-Regierung in Wiesbaden. Durch 2900 zusätzliche Lehrer habe man das Gespenst des Unterrichtsausfalls verbannt. Elternvertreter und Opposition melden zwar Zweifel an, weil nach wie vor Unterricht ausfällt. Die Frischzellenkur für die Lehrerkollegien wird jedoch allgemein gewürdigt.

Mit Skepsis sehen SPD und Grüne jedoch die Grundlinie der Bildungspolitik Kochs, der ganz auf Leistung gesetzt hat – lange vor dem Pisa-Schock, unter dem Motto „Fördern und Fordern“. Die Stundentafeln für die Grundschulen wurden aufgestockt, für Haupt- und Realschulen wird es landeseinheitliche Abschlussprüfungen geben. Deutsch, Mathematik und eine Fremdsprache wurden wieder Pflichtprogramm aller Abiturienten. „Auslese statt Fördern" sei Ziel der CDU/FDP-Bildungspolitik, kritisieren SPD und Grüne. Migrantenkinder würden in Sonderschulen abgedrängt, die steigende Zahl von Hauptschülern als Erfolg verkauft.

Fast kulturkämpferisch wird um ein Symbol von Kochs Bildungspolitik gestritten: das Oberstufeninternat „Schloss Hansenberg“ für Höchstbegabte, das die hessische Regierung in Kooperation mit privaten Unternehmen gegründet hat. Bleibt Koch Ministerpräsident, werden dort vom nächsten Schuljahr an 70 leistungsstarke Oberstufenschüler privilegiert unterrichtet. Sie sollen innerhalb von zwei statt drei Jahren Abitur machen können. Als „Sonderschule für Schwerstbegabte" hat SPD-Spitzenkandidat Gerhard Bökel das Prestigeobjekt bezeichnet. Er will das Projekt abbrechen, falls er regieren darf. SPD und Grüne wollen zudem landesweit Ganztagsschulangebote einrichten.

Was Koch schon weitgehend erreicht hat, will Christian Wulff, CDU-Spitzenkandidat in Niedersachsen, möglichst schnell umsetzen, sollte er Ministerpräsident werden: Er hat versprochen, 2000 neue Lehrer einzustellen, damit der Unterrichtsausfall endlich gestoppt wird. Wulff muss bildungspolitisch Signale setzen, denn sein Gegner, Ministerpräsident Sigmar Gabriel (SPD), will sich ebenso wie Koch mit dem Thema Bildung als weitsichtiger Reformer profilieren und schreckt dabei, wie immer, auch vor Konflikten mit den eigenen Truppen nicht zurück. Schon in der abgelaufenen Legislaturperiode setzte der frühere Deutschlehrer Gabriel gegen Widerstand in der SPD durch, dass die Orientierungsstufe in den Klassen 5 und 6, die unter Bildungsexperten in der Tat als uneffektiv gilt, durch eine Förderstufe ersetzt wird, die an die drei weiterführenden Schulen angegliedert ist. Weil aber vielerorts diese Schulform vorerst gar nicht umgesetzt werden kann, wie CDU und FDP bemängeln, dürfte es häufig beim alten Modell der Orientierungsstufen bleiben – unter neuem Namen. Gabriels Kritiker halten die Reform daher für „halbherzig“ und sprechen von „Wählertäuschung“. Gabriel seinerseits betont, er habe gehandelt und die Mängel im Schulsystem ausgemerzt. Die Grünen, die nach dem 2. Februar mit der SPD koalieren wollen, beharren allerdings auf ihrem eigenen Reformmodell – sie wollen die Grundschule auf sechs Jahre ausweiten. Für CDU und FDP steht fest, dass nach den ersten vier Jahren in der Grundschule bereits ein Übergang zu Gymnasium, Real- oder Hauptschule folgen muss.

Um die magere Bilanz der niedersächsischen Schulen beim Pisa-Test im Wahlkampf zu überspielen, fiel dem Ministerpräsidenten kurz nach der Bundestagswahl ein besonderer Streich ein: Die Vermögensteuer sollte wiederbelebt und für Bildungsausgaben herangezogen werden. Da aber kam ihm der Bundeskanzler dazwischen, der die Steuer nicht wollte. Gabriel gab vorerst klein bei.

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