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Politik: Entsendegesetz für alle Branchen

Im Kampf gegen Lohndumping vor allem bei osteuropäischen Billigarbeitern in Deutschland soll das auf den Bau beschränkte Entsendegesetz auf alle Branchen ausgedehnt werden. Danach gelten Mindesttarife auch für die von ausländischen Firmen entsandte Arbeitnehmer.

Berlin (27.04.2005, 17:07 Uhr) - Im Kampf gegen das Lohndumping vor allem bei osteuropäischen Billigarbeitern in Deutschland will die Bundesregierung das Arbeitnehmer-Entsendegesetz auf alle Branchen ausdehnen. Damit können alle ausländischen Arbeitgeber verpflichtet werden, ihren nach Deutschland entsandten Arbeitnehmern den deutschen tariflichen Mindestlohn zu zahlen. Entsprechende Eckpunkte hat die Bundesregierung am Mittwoch in Berlin beschlossen. Bisher galt das Gesetz nur in der Bauwirtschaft sowie dem Maler-, Lackierer-, Dachdecker-, Abbruch- und Abwrackgewerbe. Einen entsprechenden Gesetzentwurf will das Kabinett am 11. Mai beschließen.

Nach den Worten von Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) soll künftig allen Branchen die Möglichkeit offen stehen, «über die Vereinbarung tariflicher Mindestlöhne faire Arbeitsbedingungen herzustellen». Erforderlich seien bundesweit flächendeckende Tarifvertragstrukturen. Er gehe davon aus, dass diese in den Branchen, die von Lohndumping besonders betroffen seien, von den Tarifpartnern geschaffen würden. Wirtschaftsverbände und große Teile Opposition kritisierten am Mittwoch das Vorhaben. DGB-Chef Michael Sommer lobte es hingegen nach einem Treffen mit Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) als «wichtigen und richtigen Schritt».

Wie Clements Staatssekretär Gerd Andres (SPD) erläuterte, hat das Gebäudereinigerhandwerk bereits Interesse angemeldet, sich gegen ausländische Billigkonkurrenz unter den Schutz des erweiterten Gesetzes zu stellen. Die Novellierung des Entsendegesetzes sei aber nur ein Teil der Maßnahmen gegen das Lohndumping. Ebenso wichtig seien der Kampf gegen den Dienstleistungsmissbrauch durch Scheinselbstständige und gegen alle Formen der Schwarzarbeit und illegalen Arbeitnehmerüberlassung. Dabei habe die vor zwei Wochen gegründete Arbeitsgruppe («Task Force») schon erste Erfolge erzielt.

Arbeitgeber-Präsident Dieter Hundt kritisierte die Ausweitung des Entsendegesetzes als kontraproduktiv. «Wenn dies so umgesetzt wird, werden weitere Arbeitsplätze ins Ausland oder in Schwarzarbeit verdrängt oder fallen ganz weg», sagte er. Der Hauptverband des Deutschen Einzelhandels (HDE) teilte mit, die Novellierung sei «ein unheilvoller Pakt zwischen Bundesregierung und Gewerkschaften». Damit könne «jeder x-beliebige Tarifvertrag über Mindestentgelte» auf eine gesamte Branche ausgeweitet werden. Der Arbeitgeberverband Gesamtmetall sagte, das Gesetz werde besonders in Ostdeutschland Arbeitsplätze vernichten und Zulieferung verteuern.

Unions-Fraktionsvize Ronald Pofalla erklärte, die Union lehne die Ausweitung des Entsendegesetzes auf die gesamtdeutsche Wirtschaft ab, denn es würde die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns durch die Hintertür bedeuten. Der stellvertretende FDP-Vorsitzende Rainer Brüderle sagte, die Ausweitung des Gesetzes sei «ein Programm für noch mehr Schwarzarbeit und Arbeitslosigkeit.» Dagegen befürwortete Jürgen Rüttgers, der CDU-Spitzenkandidat in Nordrhein-Westfalen, im «Reutlinger General-Anzeiger» (Donnerstag) die Gesetzesnovelle und forderte seine Partei zu Verhandlungen mit Rot-Grün auf.

Andres hob hervor, dass bei bundesweiten Kontrollen von 445 Betrieben der fleischverarbeitenden Industrie 186 Verdachtsfälle auf illegale Arbeitnehmerüberlassung, Lohnwucher oder Scheinselbstständigkeit festgestellt und 30 Strafverfahren eingeleitet worden seien. Die Handwerkskammern würden künftig Neueintragungen Gewerbetreibender schärfer darauf prüfen, ob es sich um Scheinselbstständige handele. Die polnische Regierung sei um Überprüfung einer Liste in Deutschland tätiger Firmen gebeten worden, bei denen es sich vermutlich um reine Briefkastenfirmen handele. «Wir haben überhaupt nichts dagegen, dass Dienstleistung stattfindet, aber Briefkastenfirmen mit Sub-Sub-Sub-Ketten, das hat mit Dienstleistungsfreiheit überhaupt nichts zu tun», sagte Andres. (tso)

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