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Entwicklungsexperte Naidoo: „Armen Ländern die Schulden erlassen“

Entwicklungsexperte Naidoo erhofft sich vom UN-Gipfel Anstöße für fairen Welthandel.

Wie sollten die Industrienationen mit dem Hunger in der Welt umgehen?

Kurzfristig sollten die reichen Länder mit Hilfsgeldern großzügiger sein und schneller auf Notsituationen reagieren. Langfristig sind die Subventionen der europäischen und US-amerikanischen Landwirtschaft ein großes Problem. Afrikanische Bauern können weder auf dem Weltmarkt noch auf lokaler Ebene mit diesen hoch subventionierten Lebensmitteln konkurrieren.

Ist der Hunger mittlerweile auch ein politisches Problem?

Ja, angesichts der riesigen Zahl der Betroffenen ist Hunger heute eine Massenvernichtungswaffe. Denken wir nur an die Unruhen in Haiti oder Südafrika. Wir dürfen auch nicht vergessen, dass auch die Armen in den reichen Ländern sehr unter der momentanen Situation leiden. Ich denke da beispielsweise an Einwanderer, Arbeitslose, Minderheiten oder sozial Ausgegrenzte in Europa.

Wie kann man die aktuelle Lebensmittelkrise überwinden?

Die jeweiligen Regierungen sollten die Grundnahrungsmittel für die ärmsten Teile der Bevölkerung subventionieren. Außerdem müssen wir etwas unternehmen, um den Ölpreis zu regulieren. Denn wir wissen aus der Vergangenheit, dass auch die Lebensmittelpreise steigen, wenn sich die Ölpreise erhöhen.

Sehen Sie im Biosprit eine Chance oder eine Gefahr für die Zukunft?

Zu Biosprit würde ich weder „ja“ noch „nein“ sagen, ich würde ein „vielleicht“ vorziehen. Wir können nicht kategorisch sagen, dass es einen Zusammenhang zwischen der Produktion von Biosprit und der Lebensmittelknappheit oder den hohen Lebensmittelpreisen gibt. Die Herstellung von Biokraftstoffen muss innerhalb eines klar gesetzten Rahmens geschehen und darf auf keinen Fall auf Kosten der Lebensmittelsicherheit gehen. Vor allem dürfen Wirtschaft und Politik den Kampf gegen den Klimawandel nicht auf die Förderung von Biokraftstoffen reduzieren. Wir müssen auf eine Vielzahl von erneuerbaren Energien setzen.

Was erhoffen Sie sich von dem UN-Ernährungsgipfel in Rom?

Wir wünschen uns ein Gleichgewicht zwischen kurzfristiger Nothilfe und nachhaltigen Maßnahmen, um Lebensmittelsicherheit herzustellen und Armut zu bekämpfen. Das Problem ist, dass die Geberländer sehr schnell von einer Tragödie zur nächsten übergehen. Zum Beispiel scheinen sie den Tsunami in Indonesien im Jahr 2006 und dessen Folgen schon wieder vergessen zu haben. Dort gibt es noch viel zu tun. Außerdem erhoffen wir uns eine Beschleunigung der Bestrebungen zu einem gerechteren Welthandel, von dem alle Teile der Erde gleichermaßen profitieren. Schließlich müssen den Entwicklungsländer die Schulden erlassen werden. Wenn reiche Länder darauf bestehen, dass die armen in dieser Krisensituation Schulden zurückzahlen, ist das unmoralisch. Mancherorts werden momentan für jeden Dollar, der an Entwicklungshilfe in das Land fließt, sieben Dollar Schulden zurückgezahlt.

Das Gespräch führte Miriam Arndts.

Kumi Naidoo ist Sprecher der „Weltweiten Aktion gegen Armut“. Das UN-Generalsekretariat berief den Südafrikaner in das „Panel of Eminent Persons on UN Civil Society Relations“

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