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Ohne Wirtschaft geht gar nichts. Davon sind die Unternehmen, die sich bei Entwicklungsprojekten engagieren überzeugt. Schließlich geht es für sie auch um die Märkte von morgen.

© Reuters

Entwicklungspolitik: Wenn aus Feinden Partner werden

Einst verteufelt, heute als Akteur nicht mehr wegzudenken: Welche Rolle die Wirtschaft in der Entwicklungszusammenarbeit spielt.

Auf den großen Plakatwänden in Deutschlands Städten ist die Welt auch im Süden wunderbar in Ordnung. Da ernten fröhliche Afrikanerinnen in bunten Gewändern ihren Kaffee in der Abendsonne; und Kinder in Asien sitzen in der Schule, statt in dunklen Hinterhofwerkstätten Teppiche zu knüpfen. Deutsche Unternehmen achten heute darauf, dass ihre Produkte unter ordentlichen Bedingungen produziert werden. Jedenfalls, wenn man ihren Werbekampagnen glauben darf.

Und sie tun sogar noch mehr: So war es ein deutscher Autokonzern, der 2000 in seinem südafrikanischen Werk Aids zum Thema machte, während die dortige Regierung die Krankheit noch ignorierte. Daimler startete Aufklärungskampagnen und stellte erkrankten Mitarbeitern und deren Familien Medikamente zur Verfügung. Andere wie BMW und VW zogen nach. Beraten wurde Daimler damals von der bundeseigenen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), die im Auftrag des deutschen Entwicklungsministeriums (BMZ) arbeitet. „Kooperationen mit der Wirtschaft sind aus unserer Arbeit nicht mehr wegzudenken“, sagt Helma Zeh-Gasser von der GIZ.

Die Zeiten, in denen international tätige Unternehmen in der „Szene“ verteufelt wurden, sind lange vorbei. Auch viele Nichtregierungsorganisationen (NGO) haben längst Abteilungen für die Betreuung von Partnerschaften mit Unternehmen eingerichtet. Im BMZ hat sich das Volumen solch öffentlich-privater Partnerschaften (PPP) seit 1999 praktisch verdoppelt: Insgesamt wurden 650 Millionen Euro investiert, fast 400 Millionen von privaten Partnern. Darunter sind auch Mittelständler, die neue Märkte suchen, allein aber nicht in der Lage wären, in einem eher schwierigen Umfeld zu investieren. So wie der deutsche Solarhersteller Kirchner. Er rüstet inzwischen in Uganda Mobilfunkmasten mit Solaranlagen aus, über die auch umliegende Dörfer mit Strom versorgt werden.

Unter Entwicklungsfachleuten hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass Wirtschaftsaufbau ohne Wirtschaft und Investitionen nicht funktioniert. „Win-Win“ heißt die Devise, so zusammenzuarbeiten, dass beide Seiten etwas davon haben. Ein großes Thema sind dabei Umwelt- und Sozialstandards. Kein Konzern, der Standorte im Ausland hat oder dort produzieren lässt, kann es sich heute leisten, an den Pranger gestellt zu werden. Egal, ob er Kik oder Apple heißt. Denn dann drohen Imageverlust und Konsumentenboykott. Und Hilfsorganisationen hoffen auf einen Katalysatoreffekt, wenn sie helfen, Produktionsbedingungen zu verbessern.

Frank Braßel von Oxfam, eine NGO, die sich vor allem für Menschenrechte einsetzt, hat jedoch die Erfahrung gemacht, dass viele Unternehmen halbherzig agieren. Supermarktketten beispielsweise verpflichteten ihre Bananenlieferanten heute meist, Arbeitnehmerrechte zu respektieren und Umweltstandards einzuhalten. Doch bei den Kontrollen hapere es: „Wenn wir sie damit konfrontieren, dass auf ganz bestimmen Plantagen großflächig Gift versprüht wird und Arbeiter rausfliegen, wenn sie in die Gewerkschaft eintreten, dann wissen sie nicht Bescheid“, sagt Braßel. Industrie und Handel seien heute zwar weiter als vor 20 Jahren, gemessen am eigenen Anspruch lägen sie aber weit zurück.

Geradezu revolutionär agiert dagegen die „Bill und Melinda Gates Stiftung“. Der Microsoft-Gründer und seine Frau entschlossen sich Ende der 90er Jahre, einen Teil ihres Vermögens in Entwicklungsprojekte zu investieren. Investieren ist dabei wörtlich zu nehmen: Die Gates-Stiftung denkt und handelt wie ein Unternehmen. Genauer gesagt, wie ein Wagnis-Finanzierer. Sie hat keine eigenen Projekte, sondern fördert innovative Programme, die meist noch nicht erprobt sind. „Wir denken, die wichtigste Rolle privater Wohltätigkeit ist es, Wetten auf vielversprechende Lösungsansätze abzuschließen, denn das können sich Regierungen und Wirtschaften nicht leisten“, schreiben die beiden auf ihrer Website. Besonders bei der Entwicklung von erschwinglichen Aids-Medikamenten und der Erforschung von Tropenkrankheiten wie Malaria haben sie einiges in Bewegung gebracht. Der Grund: Krankheiten, die es vor allem in Entwicklungsländern gibt, wurden von der Pharmaindustrie meist wenig beachtet. Arme sind schließlich schlechte Kunden. Gates hat die Forschung durch seine Förderangebote in vielen Bereichen attraktiver gemacht. Seine Stiftung kooperiert aber auch mit UN-Organisationen oder Staaten. Mit dem BMZ sind Vorhaben in Höhe von 255 Millionen Euro verabredet. Insgesamt beträgt das Vermögen der Stiftung laut den letzten verfügbaren Zahlen von 2011 beinah 36,5 Milliarden Dollar. 3,4 Milliarden Dollar hat sie im gleichen Jahr ausgegeben – etwas mehr als die Hälfte des aktuellen deutschen Entwicklungsetats. Das verschafft ihr auch Macht. Die Gates-Stiftung kann entwicklungspolitische Weichen stellen – etwa dadurch, dass sie landwirtschaftliche Projekte unterstützt, die auf Ertragssteigerungen durch genveränderte Saaten setzen.

Das BMZ hat die Förderung von Gentechnik für seine Kooperationsvorhaben ausgeschlossen. Angesichts der Tatsache, dass fast ein Drittel der Weltbevölkerung an Mangelernährung leidet, geht man aber auch dort neue Wege. In Afrika und Asien etwa gemeinsam mit BASF. Es bestehe Konsens, dass die Agrarwirtschaft und die Lebensmittelindustrie beim Kampf gegen den Hunger mit ins Boot geholt werden müssten, sagt GIZ-Expertin Vierck. Im konkreten Fall werden Grundnahrungsmittel mit Vitamin A versetzt, weil viele Arme sich natürliche Vitamin-A-Lieferanten wie Früchte oder Gemüse nicht leisten können. BASF berät lokale Lebensmittelproduzenten bei der Anreicherung ihrer Produkte mit dem Vitamin und erschließt sich so neue Märkte für seine Nahrungsergänzungsmittel. Der „Königsweg“ im Kampf gegen Hunger und Mangelernährung sei das sicher nicht, sagt Vierck: „Langfristig arbeiten wir daran, dass sich jeder Mensch ausgewogen ernähren kann. Doch die Realität sieht nun einmal anders aus.“

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