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Parteichef Rösler will seinen Start ins Amt nicht mit einer Affäre belasten.

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Entzugserscheinungen: FDP geht auf Abstand zu Koch-Mehrin

Silvana Koch-Mehrin scheint immer weniger Unterstützung in ihrer Partei zu finden. Sie könnte ihren Doktor verlieren, meint ein Plagiatsexperte. Bis Ende Mai will die Uni Heidelberg über den Titel entscheiden.

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Berlin - Sonderlich beliebt ist die Europapolitikerin Silvana Koch-Mehrin in ihrer Partei nicht. Inhaltlich, heißt es in der FDP-Führung, habe sie eher selten Beachtenswertes eingebracht. Und auch ihre Rolle als gut aussehende und damit medienwirksame Wahlkämpferin komme kaum noch zum Tragen. Im zurückliegenden Landtagswahlkampf ihres Heimatverbandes Baden-Württemberg jedenfalls hat man Koch-Mehrin in diesem Frühjahr kein einziges Mal gesehen. Und das, wo die FDP im Südwesten ein fotogenes Zugpferd dringend hätte gebrauchen können.

Nun ist Beliebtheit an sich noch keine Gewähr fürs politische Überleben. Wenn Politiker allerdings in Schwierigkeiten geraten, dann brauchen sie nicht selten die Unterstützung ihres Umfeldes, um ihren Weg fortsetzen zu können. Und diese Unterstützung scheint Silvana Koch-Mehrin in der FDP nicht mehr finden zu können. Wenn sich herausstellen sollte, dass sie bei ihrer Doktorarbeit an der Uni Heidelberg geschummelt hat, da sind sich die Liberalen mittlerweile ziemlich einig, dann ist ihre Karriere in der Partei sehr schnell beendet. Dann „wird sie die politischen Konsequenzen ziehen müssen“, heißt es in der Parteispitze.

Spätestens Ende Mai könnte es so weit sein. Dann will die Uni in Heidelberg darüber entschieden haben, ob Koch-Mehrin der Doktortitel aberkannt wird. Bis dahin wollen die Universitätsgremien allerdings noch mindestens zweimal getagt und ihr Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben haben. Der Verdacht gegen Koch-Mehrin erhärtet sich inzwischen. Wie man auf der Internetseite vroniplag.de lesen kann, umfasst ihre Doktorarbeit 227 Seiten, auf 55 Seiten sollen Plagiate gefunden worden sein. Für den Münchner Plagiatsexperten Volker Rieble ist die Sache damit ziemlich klar. „Nach meiner Auffassung reicht es für den Titelentzug“, sagte Rieble dem Tagesspiegel. Es gebe „doch eine ganze Reihe von Stellen, bei denen zitatlos abgeschrieben worden ist und der zitierte Text zitatpflichtig“ sei, sagte der Rechtsprofessor weiter – „sei es, dass – vielfach – wörtliche Fremdtextwiedergabe ohne Anführungszeichen erfolgt, sei es, dass Zitate vergessen wurden oder die intensive Nähe zum Fremdtext nicht belegt wird“. Die Entscheidung darüber treffe aber die Heidelberger Fakultät, die dabei einen eigenen Beurteilungs- und Ermessensspielraum habe. Kritik äußerte der Plagiatsforscher an der Anonymität vieler „Jäger“. „Hier will niemand Verantwortung für die erhobenen Vorwürfe, für die Sorgfalt der Recherche tragen. Das begründet eine erhebliche Waffenungleichheit, bei der die Zielperson, hier Frau Koch-Mehrin, angegriffen wird, aber sich praktisch nicht verteidigen kann“.

Die liberale Politikerin selbst zieht es bislang vor, zu schweigen. Das wird ihr in der FDP-Spitze zugutegehalten. Schließlich hat die im Umfrageloch feststeckende Partei keinerlei Interesse auch noch an einem öffentlichen Plagiatsstreit.

Gleichzeitig hat der Trennungsprozess jedoch schon begonnen. Denn der neue Parteichef Philipp Rösler will seinen Start nicht mit einer Plagiatsaffäre vermasseln. Und zwar unabhängig davon, ob die Uni entschieden hat oder nicht. Wenn Rösler Anfang Mai sein liberales Zukunftsteam vorstellen wird, dann wird Koch-Mehrin schon nicht mehr zu sehen sein. Zur Begründung wird darauf verwiesen, dass Koch-Mehrin schließlich „nur“ FDP-Präsidiumsmitglied wegen ihres Amtes im EU-Parlament ist und sich nicht um ein Wahlamt in der FDP-Spitze bewirbt. Man könnte es eine Art Fremdschämen nennen, das sich auch beim Parteitag der FDP Mitte Mai in Rostock fortsetzen wird. Sollte Koch-Mehrin bis dahin selbst keine Konsequenzen gezogen haben, ist nicht ausgeschlossen, dass man ihr, die viele Jahre vorn im Rampenlicht gestanden hat, einen eher schattigeren Platz in den hinteren Reihen zuweisen wird.

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