zum Hauptinhalt
Stellt sich gegen Schäuble: Der Stuttgarter Finanzminister Nils Schmid, mit Ministerpräsident Winfried Kretschmann.

© dpa

Erbschaftsteuer: Baden-Württemberg verstärkt Kritik an Wolfgang Schäuble

Der baden-württembergische Finanzminister Nils Schmid (SPD) lehnt Wolfgang Schäubles Vorschläge für eine Erbschaftsteuerreform ab. Er hält sie für mittelstandsfeindlich.

Der baden-württembergische Wirtschafts- und Finanzminister Nils Schmid (SPD) hält die Vorschläge für eine Erbschaftsteuerreform, die Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) vorgelegt hat, für eine mittelstandsfeindliche Umsetzung des Karlsruher Verfassungsgerichtsurteils. „Die Eckpunkte Schäubles nehmen zu wenig Rücksicht auf die Bedeutung der mittelständischen Unternehmen für die Beschäftigung in Deutschland, und sie nehmen keine Rücksicht auf die Interessen Baden-Württembergs“, sagte Schmid dem Tagesspiegel. Zwar bewege sich der Bundesfinanzminister im Rahmen dessen, was verfassungsrechtlich zulässig wäre – „aber seine Vorschläge erschweren es, die Belange des Mittelstands ausreichend zu berücksichtigen. Schäuble geht ausschließlich juristisch vor, aber er denkt nicht wirtschaftspolitisch.“ Schäubles Wahlkreis liegt in Baden-Württemberg; dort finden im kommenden Frühjahr auch Landtagswahlen statt. An diesem Donnerstag wird Schäuble im Rahmen der Sitzung der Finanzministerkonferenz seinen Länderkollegen erstmals seine Pläne erläutern; die Erbschaftsteuer fließt allein den Landeshaushalten zu.

 Regel für Privatvermögen geht Schmid zu weit

Schmid stößt sich, wie andere Landesfinanzminister und auch Teile der Unions-Fraktion im Bundestag, vor allem an der sehr weitgehenden Einbeziehung von Privatvermögen in die so genannte Bedürfnisprüfung, die von Karlsruhe verlangt wird. Die Richter gaben im Dezember vor, dass ab einer bestimmten Unternehmensgröße die Erwerber (Erben oder Beschenkte) nachweisen müssen, ob die prinzipiell weiterhin mögliche Verschonung von der Steuerzahlung auch wirklich nötig ist. Bisher reichte dazu die Fortführung des Betriebs über einen bestimmten Zeitraum bei Erhalt der Arbeitsplätze. Nach Schäubles Vorstellung soll das komplette Privatvermögen in die Bedürfnisprüfung einbezogen werden, wobei er es für zumutbar hält, dass die Hälfte dieses Vermögens dann auch zur Tilgung der Steuerschuld eingesetzt wird. Dazu müssten diese Privatvermögen aufgedeckt werden. Laut

Schmid geht Schäuble hier zu weit. „Die Einbeziehung des kompletten Privatvermögens ist eine klare Erschwernis für den Betriebsübergang“, sagte er. Der Vorschlag setze einen falschen Anreiz, weil er, wenn umgesetzt, dazu führen könne, dass Erben eher überlegen, den Betrieb zu verkaufen, anstatt ihn weiterzuführen. Wie auch die Finanzminister von Hessen und Bayern hält Schmid es für ausreichend, wenn nur die ererbten und mitübertragenen Privatvermögen einbezogen werden, nicht aber die selbst erworbenen Vermögen (etwa durch eigene unternehmerische Tätigkeit). „Schäuble verkennt völlig, dass wir jetzt ein Bekenntnis der Politik zur Bedeutung der Familienunternehmen in Deutschland brauchen. Er hat hier einen regelrechten Flurschaden angerichtet, er hat den Solarplexus der Mittelständler getroffen, denen es nicht nur um ihr Geld geht, sondern auch um ihre Betriebe“, warf Schmid dem Bundesminister vor. „Diese Familien pflegen in aller Regel eine hohe Identifikation mit ihrem Unternehmen und den Beschäftigten.“ Die Organisationen der Familienunternehmer setzen in ihrem Widerstand gegen Schäuble vor allem auf die Länder.

 Freibetrag von 100 Millionen Euro gefordert

Auch Schäubles Ansatz, die Pflicht zur Bedürfnisprüfung ab einem Wert von 20 Millionen Euro pro Erbfall vorzusehen, lehnt Schmid ab. „Wir sollten hier beim Unternehmenswert ansetzen, weil das der Logik des bisherigen Erbschaftsrechts entspricht, und eine Summe von 100 Millionen Euro nehmen, weil das Bundesverfassungsgericht selbst diese Schwelle nahe gelegt hat.“ Er könne sich allenfalls für den Fall von Unternehmen mit sehr vielen Gesellschaftern die Option vorstellen, bei den einzelnen Erben anzusetzen, wie Schäuble es generell tut. Zudem müsse  Schäuble darauf verzichten, diesen Wert als Freigrenze zu definieren. Es könne nur darum gehen, sie als Freibetrag zu verstehen, weil sonst ein Fallbeileffekt entstehe. Bei einer Freigrenze würde die gesamte ererbte Summe steuerpflichtig, wenn die Bedürfnisprüfung keine Verschonung ergibt. Bei einem Freibetrag wäre es nur die Summe, die oberhalb des Grenzwerts liegt.

Schmid weist auch Schäubles Vorschlag zurück, nur noch betriebsnotwendiges Vermögen von der Steuer zu verschonen und daher eine völlige Neudefinition des Betriebsvermögens vorzunehmen. „Wir sollten bei der bisherigen Definition von Verwaltungsvermögen bleiben, wenn auch bei der Verschonung ein deutlich niedrigerer Wert als bisher nötig ist“, forderte der Stuttgarter Vize-Ministerpräsident. „Die von Schäuble gewünschte Definition mit betriebsnotwendigem Vermögen, das verschont werden soll, wirft zahlreiche Umsetzungsprobleme auf. Es wäre eine Rolle rückwärts zu einem schlechteren Rechtszustand.“ Zudem missfällt Schmid das Vorgehen Schäubles. Er forderte seinen Bundeskollegen auf, nun eine „politische Arbeitsgruppe von Bund und Ländern einzurichten“ – also Gespräche auf höherer Ebene bis hin zu den Ministern.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false