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Reform der Erbschaftsteuer hängt.

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Erbschaftsteuer: Karlsruhe macht Druck

Die vom Bundesverfassungsgericht verlangte Reform der Erbschaftsteuer müsste schon Gesetz sein. Nun mahnen die Richter zu Eile - und drohen mit weiteren Vorgaben.

Neue Wendung im Streit um die Erbschaftsteuer: Das Bundesverfassungsgericht droht der Berliner Politik indirekt damit, eigene Regeln zu fassen, sollte nicht bald die von Karlsruhe geforderte Reform der Besteuerung von Unternehmenserben vorliegen. Jedenfalls könnte das die Folge sein, wenn sich der Erste Senat des Gerichts Ende September trifft, um über das „weitere Vorgehen im Normenkontrollverfahren um das Erbschaftsteuer- und Schenkungssteuergesetz“ zu sprechen. Das schreibt der Senatsvorsitzenden Ferdinand Kirchhof in einem Brief an Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat. Es ist ein äußerst ungewöhnlicher Vorgang, dass das Verfassungsgericht den anderen Verfassungsorganen ankündigt, sich nach einem Gerichtsbeschluss (er stammt im Fall der Erbschaftsteuer vom Dezember 2014) gegebenenfalls erneut einzuschalten. Der Brief ist nicht die Ankündigung eines neuen Beschlusses – aber das Signal an den Gesetzgeber, sich mit der Gesetzgebung zu beeilen.

Entscheidung von 2014

Das Gericht hatte 2014 einige Vorgaben für die Reform der Erbschaftsteuer für Unternehmer gemacht und dabei die Frist für eine Neuregelung bis zum 30. Juni 2016 gesetzt. Die ist verstrichen, ohne dass ein Gesetz vorliegt. Zwar hat das Gericht zwischenzeitlich durchblicken lassen, dass auch danach das alte Recht noch anzuwenden sei. Doch eine deutliche Überschreitung der Frist wollen sich die Richter offenbar nicht gefallen lassen. Sie könnten dann sogar in einem weiteren Beschluss selbst an die Stelle des Gesetzgebers treten und eigene Regelungen erlassen.
Derzeit hängt das Gesetz im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat, den die Länderkammer am vorigen Freitag anrief. Eine Ländermehrheit hält es nicht für verfassungsfest und will noch einige Änderungen durchsetzen. Zuvor hatte sich die Koalition monatelang mit der Reform schwer getan, weil der Entwurf von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) vom Februar 2015 sowohl den Wirtschaftspolitikern in der Unions-Fraktion als auch CSU-Chef Horst Seehofer zu weit ging. Sie setzten sich für die Interessen der Familienunternehmer ein. Dabei ging es unter anderem um die Frage, wie man die von Karlsruhe geforderte Bedürfnisprüfung bei einer Verschonung von besonders reichen Erben auslegt. Zudem war strittig, welche Teile des Betriebsvermögens unter die Steuer fallen sollen und wie weit Privatvermögen zur Zahlung der Steuer heranzuziehen ist. Am Ende wurde der Vorschlag von Schäuble entschärft. Dass viele Unternehmer in den vergangenen Jahren ihren Kindern per Schenkung den Betrieb oder Teile davon unter der alten Regelung übertragen haben, zeigt, das in der Wirtschaft eine Verschärfung erwartet worden war. Die könnte nun in der Tat von Karlsruhe detailliert vorgebeben werden, wenn das Vermittlungsverfahren nicht zügig beendet wird.

SPD fordert zügiges Verfahren

SPD-Fraktionsvize Carsten Schneider sagte am Donnerstag zum Brief aus Karlsruhe: „Die Familienunternehmen zahlen jetzt den Preis für die monatelange Blockade und die immer neuen Sonderwünsche der CSU.“ Es sei absehbar gewesen, dass Karlsruhe „nach Ablauf der Frist eine Vollzugsanordnung treffen wird. Das wusste auch Herr Seehofer.“ Das Gericht muss allerdings eine solche Anordnung mit eigenen Regelungen nicht treffen, es kann auch beschließen, dass die bisherigen Regelungen nicht mehr anwendbar sind. In beiden Fällen dürften die Bedingungen für Unternehmenserben ungünstiger werden. Der nordrhein-westfälische Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) sagte: „Wir müssen uns nun zügig auf eine faire Besteuerung von Großerbschaften verständigen und dazu muss sich die CSU endlich bewegen.“ Dass der Gesetzentwurf so weit ausgehöhlt worden sei, dass bei Erbschaften bis zu 90 Millionen Euro pro Erben praktisch keine Erbschaftsteuer zahlen wäre und darüber hinaus mit hoher Wahrscheinlichkeit auch nicht, sei „weder vermittelbar noch verfassungsgemäß“. Im Bundesfinanzministerium erwartet man, dass der Vermittlungsausschuss noch in der Sommerpause zusammentritt und nicht bis September wartet. Die Zeit solle jetzt nicht ungenutzt verstreichen.

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