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Politik: Erdogan kann neuer türkischer Ministerpräsident werden

Regierungspartei AKP gewinnt Nachwahl in der Provinz / Ablösung von Premier Gül noch in dieser Woche?

Istanbul. Die Türkei wird voraussichtlich schon in den nächsten Tagen einen neuen Ministerpräsidenten erhalten. Der Chef der Regierungspartei AKP, Recep Tayyip Erdogan, sicherte sich am Sonntag bei einer Nachwahl in Ostanatolien ein Parlamentsmandat und kann nun auch Regierungschef werden. Bereits in dieser Woche könnte Erdogan seinen AKP-Parteifreund und bisherigen Premier Abdullah Gül ablösen.

Erdogans Partei errang bei der Nachwahl in Siirt knapp 85 Prozent der abgegebenen Stimmen, während die oppositionelle CHP nur auf 14 Prozent kam. Die AKP errang damit alle drei in Siirt zu vergebenden Parlamentsmandate – es war also ein Erdrutschsieg für den 49-jährigen Erdogan. Die Wahlbeteiligung war mit etwa 62 Prozent der rund 120 000 Wahlberechtigten jedoch sehr niedrig, weil die Kurdenpartei Dehap zu einem Wahlboykott aufgerufen hatte.

Die Nachwahl war notwendig geworden, weil es in Siirt bei der Parlamentswahl am 3. November Unregelmäßigkeiten gegeben hatte. Damals durfte Erdogan aufgrund einer Vorstrafe noch nicht kandidieren – er war nach einer 1997 ausgerechnet in Siirt gehaltenen Rede wegen Volksverhetzung verurteilt worden. In der Rede hatte er aus einem Gedicht zitiert, in dem es unter anderem hieß: „Die Gläubigen sind unsere Soldaten, die Moscheen unsere Kasernen.“ Inzwischen hat die AKP aber die Verfassung geändert, um Erdogan den Quereinstieg ins Parlament zu ermöglichen.

In einer ersten Stellungnahme sagte der Wahlsieger am Sonntagabend in Anspielung auf seine umstrittene Rede in Siirt, der Ausgang der Nachwahl erinnere ihn an das schöne Ende eines Gedichts. Nicht alles wird dem designierten neuen Ministerpräsidenten aber so leicht von der Hand gehen.

Gleich zu Beginn seiner Amtszeit will Erdogan das Parlament erneut über die amerikanische Truppenstationierung für den Irak-Krieg abstimmen lassen und die unwilligen Abgeordneten diesmal überzeugen. Bei der ersten Abstimmung am 1. März hatten fast 100 AKP-Abgeordnete der Parteiführung die Gefolgschaft verweigert. Seitdem verhandeln AKP-Spitzenvertreter und amerikanische Unterhändler über weitere Zugeständnisse der USA. Mit einem neuen Einigungspaket soll das Parlament zur Zustimmung bewegt werden; anschließend wollen die USA rund 62 000 Soldaten und 265 Kampfflugzeuge in der Türkei stationieren.

Weil im zweiten Anlauf allgemein mit einem Ja des Parlaments gerechnet wird, erlaubt die Regierung in Ankara den Amerikanern schon jetzt Truppenbewegungen. Nach offizieller Lesart sollen die amerikanischen Soldaten bei der vom Parlament bereits genehmigten Modernisierung türkischer Militärstützpunkte helfen – doch mit diesem Deckmäntelchen wird die Bewegung von Kampftruppen im Land nur sehr dürftig kaschiert.

Parlamentspräsident Bülent Arinc – immerhin ein Parteifreund von Gül und Erdogan – kritisierte den offiziell nicht erlaubten Aufmarsch der Amerikaner scharf. Gleichzeitig verstärkte die türkische Armee ihre Präsenz im Nordirak und schickte Panzer über die Grenze. Ihr Ziel war Bamerni, ein nordirakischer Stützpunkt, der bereits seit längerem vom türkischen Militär kontrolliert wird.

Susannne Güsten

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