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Politik: Erdogan pfeift auf die EU

Die Türkei will ihre Beziehungen zu Brüssel wegen des Zypernkonflikts auf Eis legen

Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan will die Beziehungen seines Landes zur EU während der zyprisch-griechischen Ratspräsidentschaft im kommenden Jahr für sechs Monate einfrieren. In einem am Dienstag veröffentlichten Zeitungsinterview lehnte Erdogan zudem neue Kompromisse der Türkei in der Zypernfrage ab. Überhaupt hat der Premier offenbar keine rechte Lust mehr auf Europa: Letzte Woche weigerte er sich, EU-Erweiterungskommissar Stefan Fülé zu empfangen.

Auch Erdogans Äußerungen zu Zypern zeigen, wie sehr die EU in der türkischen Politik an Bedeutung verloren hat. Ankara nimmt mit der neuen, kompromissloseren Haltung im Zypernkonflikt etwaige neue Rückschläge für die türkische EU-Bewerbung in Kauf. Da Erdogan wegen der offenen Abweisung durch EU- Staaten wie Frankreich davon ausgeht, dass die türkische EU-Bewerbung ohnehin kaum Chancen hat, sieht er keinen Grund mehr, auf europäische Forderungen einzugehen. Für Zypern könnte das die endgültige Teilung bedeuten.

Die türkische Seite sieht sich im Zypernstreit im Recht, weil sie 2004 einen UN-Friedensplan unterstützte, der damals am Nein der Griechen auf der Insel scheiterte. Trotzdem wurde der griechische Inselteil anschließend in die EU aufgenommen. Der ungelöste Konflikt um die seit einem griechischen Putsch und einer türkischen Militärintervention 1974 geteilte Insel belastet seitdem den türkischen EU-Prozess.

Niemand könne erwarten, dass sich die Türken mit den Zypern-Griechen während deren Ratspräsidentschaft in der zweiten Jahreshälfte 2012 an einen Tisch setzten, sagte Erdogan. Einige im Rahmen des UN-Plans von 2004 gemachte Zugeständnisse nahm der Premier in dem Interview wieder zurück. So lehnte er eine damals vereinbarte Gebietsrückgabe ab und schloss einen türkischen Truppenrückzug aus Zypern aus. Kompromisse könne es nur geben, wenn auch die andere Seite dazu bereit sei, sagte Erdogan.

Die Äußerungen sind möglicherweise dazu gedacht, den Druck auf die griechische Seite zu erhöhen. Ankara dringt auf eine Volksabstimmung auf Zypern über einen neuen UN-Plan im kommenden Jahr. Sollte dabei die Wiedervereinigung beschlossen werden, hätte die Türkei kein Problem mehr mit der zyprischen EU-Ratspräsidentschaft. Erdogan regte Vierergespräche der Türkei, Griechenlands und der beiden zyprischen Volksgruppen an. Er betonte aber auch, dass ein erneutes Scheitern der Vereinigung für die Türkei keine Katastrophe wäre. Laut der Zeitung „Hürriyet“ will die türkische Seite in diesem Fall die internationale Anerkennung des türkischen Inselteils vorantreiben.

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