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Gruß ans Volk: Im April sollen die Türken über die Einführung des Präsidialsystems abstimmen, das Präsident Erdogan weitreichende Befugnisse erteilen würde.

© dpa

Erdogans Machtausbau: Warum die EU nur verhalten meckert

Die Türkei soll von Grund auf umgebaut werden, ihr Präsident greift nach Vollmachten - und aus der EU kommt kaum Kritik. Das hat zwei sehr eigennützige Gründe. Ein Kommentar

Ein Kommentar von Susanne Güsten

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan steuert mit Volldampf auf die Verwirklichung seines großen Plans zu: In einer Volksabstimmung will er nahezu absolutistische Vollmachten für sich selbst absegnen lassen, die jeglichen europäischen Grundsätzen von Demokratie und Gewaltenteilung offen widersprechen. Doch die Kritik aus der EU bleibt verhalten – und das hat gute Gründe. Für Europa ist Erdogan zwar ein schwieriger Gesprächspartner, doch der Präsident hat aus Sicht vieler europäischer Entscheidungsträger zwei große Vorteile: Zum einen erfüllt er seit fast einem Jahr seine Zusagen in der Flüchtlingspolitik. Zum anderen steht Erdogan für einigermaßen stabile Verhältnisse in der Türkei, die von Putschversuchen, Terroranschlägen und den Folgen des Konflikts beim Nachbarn Syrien heimgesucht wird. Sollte er abgelöst werden, wäre in der Türkei kein Politiker von Statur in Sicht, der das Ruder übernehmen und das wichtige Land an der Nahtstelle zwischen Ost und West verlässlich steuern könnte. Diese Art von realpolitischen Überlegungen sind nur schwer mit den demokratischen Idealen der Europäischen Union in Einklang zu bringen. Doch die Alternative wäre ein ernsthaftes Einwirken der EU auf Erdogan und die Türkei. Und daran ist im Moment keine Regierung in Europa interessiert.

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