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Politik: Erfolgloser Rückzug

Die FDP-Fraktion hat Möllemann ausgeschlossen, obwohl er zuvor angekündigt hatte, sein Mandat zurückzugeben

Von

Von Robert Birnbaum und

Jürgen Zurheide, Düsseldorf

Auch in diesem Moment hat der Mann noch Sinn für die Inszenierung politischer Botschaften. Jürgen W. Möllemann hat soeben die lieben Kolleginnen und Kollegen in der Düsseldorfer Landtagsfraktion allein gelassen, um vor der Tür die Presse über seine jüngste Entscheidung zu informieren. Doch Möllemann baut sich nicht einfach vor den Kameras auf. Er beginnt zu reden, nachdem er den Standort gewechselt und sich vor die blaue Wand mit den gelben Buchstaben „FDP“ gestellt hat. Erst als ihm der Journalistentross gefolgt ist, beginnt er seinen kleinen Vortrag. „Nach reiflicher Überlegung, nach intensiven Gesprächen mit meiner Frau und meinen Töchtern, bin ich zu dem folgenden Entschluss gelangt“, hebt er an und fügt wenig später den entscheidenden Satz hinzu, „daher entscheide ich mich für die weitere parlamentarische Tätigkeit in meinem Bundesland Nordrhein-Westfalen“. Das Bundestagsmandat wolle er niederlegen.

Doch so einfach lassen sie ihn in Berlin nicht davonkommen. Dass Jürgen Möllemann wenig Lust hatte, sich aus der FDP-Bundestagsfraktion hinauswerfen zu lassen, war im Grunde allen klar gewesen. Dass er, um den rufschädigenden Akt zu vermeiden, auf sein Mandat verzichten und dies, alter Gewohnheit gemäß, erst in letzter Minute die anderen wissen lassen würde – auch darauf war die FDP-Spitze eingestellt. Und so hat der Fraktionschef Wolfgang Gerhardt auch nicht viel Zeit und Überlegung gebraucht, um auf Möllemanns Absage zu reagieren. Und zwar mit einer Kampfansage.

Der Brief aus Düsseldorf nämlich war im strengen Sinne kein Mandatsverzicht, sondern die Ankündigung eines solchen. Den „sehr geehrten Herrn Dr. Gerhardt“ ließ er in seinem Brief wissen, er werde sich auf sein Mandat im Düsseldorfer Landtag beschränken und „im Laufe des Monats März“ sein Bundestagsmandat zurückziehen. Womit seine für Dienstagnachmittag angesetzte Anhörung vor der Bundestagsfraktion in Sachen Ausschlussverfahren ja wohl „unnötig bzw. überflüssig“ geworden sei.

Gerhardt sah das freilich anders – und setzte ein Ultimatum. Wenn Möllemann bis zum Beginn der Fraktionssitzung um 15 Uhr sein Mandat schriftlich gegenüber Bundestagspräsident Wolfgang Thierse zurückgebe – nun gut. Andernfalls werde das Ausschlussverfahren seinen ordentlichen Gang nehmen. Gerhardts Antwortschreiben spricht die Sprache zorniger Ungeduld mit dem Mann, der sich vor dem ersten Anhörungstermin kurzfristig krank meldete, noch am Wochenende sein Erscheinen in Berlin ankündigte und jetzt den Eindruck eines freiwilligen Rückzugs zu erwecken sucht, wo es doch nur die Flucht nach vorn ist.

Der Ausweg sollte ihm abgeschnitten werden. Dabei hat die FDP-Führung, ohne das auszusprechen, auch das nach wie vor anhängige Parteiausschlussverfahren im Blick. Möllemann würde sich mit einem – in Düsseldorf – heil überstandenen Fraktionsausschlussverfahren und einem zweiten – in Berlin – vermiedenen Hinauswurf vor dem Parteigericht leichter als die von der eigenen Parteispitze verfolgte Unschuld präsentieren können, als wenn ihm die Berliner Fraktion den Stuhl vor die Tür stellt. Auch darum also das Ultimatum.

Übrigens hat Fraktionschef Gerhardt den alten Widersacher richtig eingeschätzt: Nein, den Sofortverzicht werde er nicht erklären, schrieb Möllemann sofort retour. Sein Rückzugsschreiben habe „den gleichen politischen und rechtlichen Verbindlichkeitsgrad“. Was Gerhardt immer noch anders sah. Und so war klar, bevor die Sitzung begann: Dann werde Möllemann eben „in Abwesenheit ausgeschlossen“, hieß es in der Fraktion.

Und so geschah es. Gerhardt konnte das Ergebnis mit zufriedener Korrektheit verkünden: 39 der 45 anwesenden FDP-Parlamentarier wollten mit dem Kollegen Möllemann nichts mehr zu tun haben, nur einer schlug sich für ihn in die Bresche; weitere fünf enthielten sich. „Die FDP-Bundestagsfraktion hat bis zur Erschöpfung Geduld gehabt“, sagt Gerhardt hinterher und zählt detailliert auf, wie der Abgeordnete Möllemann für alles Mögliche Zeit und Kraft gehabt habe, nur nie dafür, der Vorladung zur Anhörung zu folgen. Die Fraktion sei es leid gewesen, am Nasenring umhergeführt zu werden.

Die Fraktion in Düsseldorf übrigens auch. Dass Möllemann dort versichert hatte, er wolle nur noch in NRW Politik machen, dann aber wieder gen Berlin schielte, hatte zu Rufen geführt, die Abstimmung über seinen Verbleib in der Landtagsfraktion zu wiederholen. Das hat Möllemann abgewendet. Bleibt noch sein Kommentar nachzutragen: Eine „gezielt geplante Hinrichtungsaktion“ sei das gewesen. Das letzte Wort hat er halt.

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